Was ist noch sicher? Skandale erschüttern Vertrauen in Banken
Frankfurt/Main (dpa) - Sie haben sich einen tiefgreifenden Kulturwandel verordnet und geben sich in eindrücklichen Werbespots geläutert. Doch der Kampf der Banken um neues Vertrauen in der Gesellschaft wird durch alte Skandale tief erschüttert.
Fünf Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise holt ihr früheres Fehlverhalten die Institute mit Wucht ein.
Es scheint kaum einen Bereich in der Finanzwelt zu geben, der vor Manipulationen sicher gewesen war. Neben den Betrügereien bei den Zinssätzen nehmen Behörden weltweit inzwischen auch die Preisbildungen von Derivaten, Gold und Silber und sogar Währungen ins Visier.
In der Zeit vor der Finanzkrise waren Investmentbanker die Gelddruckmaschinen der Finanzbranche. Dabei wird immer klarer, dass bei den selbst ernannten „Masters of the Universe“ die Maßstäbe für anständige Geschäfte durcheinander gerieten. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia nannte es am Mittwoch „schockierend“ wie Branchenvertreter die Referenzzinssätze manipuliert und sich dabei verbotenerweise abgesprochen haben.
Kaum eine der wichtigen Kennziffern in der Branche - Basis für Geschäfte in Höhe von hunderten Billionen Euro - scheint vor den Bankern sicher gewesen zu sein. Die betroffenen Referenzwerte haben eines gemeinsam: Sie werden von einigen wenigen Bankern ermittelt, der Prozess ist dabei wenig transparent und öffentliche Stellen haben anders etwa als bei der Ermittlung von Aktienkursen an der Börse wenig Einfluss.
Das haben Banker wie im Fall des Libor-Skandals ausgenutzt. In kleinen Kreisen sollen sich die Mitarbeiter einzelner Häuser untereinander immer wieder etwa über Internet-Chats abgesprochen haben. Die Politik hat Reformen angekündigt, doch der Prozess steht noch am Anfang.
Um das Vertrauen kurzfristig wieder herzustellen, bemühen sich die Banken um interne Verbesserungen. Allein die US-Großbank JPMorgan will in den kommenden Jahr vier Milliarden Dollar in eine bessere Kontrolle stecken, bei der Deutschen Bank sind bis 2015 dafür eine Milliarde Euro vorgesehen. „Unser Ziel ist es, die Risikokultur zu verändern und dafür zu sorgen, dass die Reputation der Bank stets im Zentrum aller unserer Entscheidungen steht“, sagte Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen bei der diesjährigen Hauptversammlung im Frühjahr.
„Wir sind fest entschlossen, die Deutsche Bank einem tiefgreifenden kulturellen Wandel zu unterziehen“, sagte Fitschen damals. Dabei soll es nach dem Willen des Vorstands keine Kompromisse mehr geben. „Wer sich nicht vorbehaltlos zu diesen Werten bekennen kann, der ist bei der Deutschen Bank am falschen Ort und sollte sich nicht bei uns bewerben. Oder, wer bereits für uns arbeitet und diese Werte nicht respektiert, der sollte besser gehen.“ Bis das allerdings in der Gesellschaft ankommt, wird es nach Einschätzung des Managers noch ein steiniger Weg.
Sein Haus ist von zahlreichen Affären betroffen. Die Einigung mit der EU-Kommission im Skandal um manipulierte Referenzzinssätze ist für den deutschen Branchenprimus daher erst der Anfang der schmerzhaften Aufarbeitung. So steht eine Einigung in diesem Fall mit den Behörden in den USA und Großbritannien noch aus. Das Institut selbst sieht im jüngsten Quartalsbericht „erhebliche Prozessrisiken“. Auf mittlerweile acht Seiten schildert das Geldhaus seine größten Streitfälle. Dafür hat es inzwischen 4,1 Milliarden Euro Rückstellungen gebildet. Weitere Belastungen dürften folgen. Sogar Jörg Asmussen, Direktor der Europäischen Zentralbank (EZB), äußerte zuletzt bei einer Podiumsdiskussion Zweifel, ob die Vorsorge reicht.
Schockwellen kommen aus den USA. Dort ließ sich JPMorgan wegen windiger Hypothekengeschäfte auf einen Vergleich in Höhe von 13 Milliarden Dollar mit den Behörden im Nachgang zur Finanzkrise ein. Die US-Justiz hatte dem Wall-Street-Haus vorgeworfen, Investoren beim Verkauf von Hypothekenpapieren über den Tisch gezogen zu haben. Die Deutsche Bank sieht sich mit der gleichen Anschuldigung konfrontiert.
Immer wieder in der Kritik steht dabei der zweite Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain. Ein Großteil der Probleme stammen aus dem Investmentbanking, für das er die Verantwortung trägt. Doch Jain gibt sich geläutert und versucht den Kulturwandel vorzuleben. Und er betont, dass es sich beim Libor-Skandal um das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter handelte.