Europa sucht Anis Amri Wer ist der mutmaßliche Attentäter?
Düsseldorf (dpa) - In Nordrhein-Westfalen werden zahlreiche Polizisten nahe einer Flüchtlingsunterkunft zusammengezogen, in Düsseldorf an einem Kaufhaus. Die europaweite Suche nach Anis Amri ist am Mittwoch in vollem Gange.
Wer ist der Mann, der im Verdacht steht, am Montagabend den Lastwagen auf den Berliner Weihnachtsmarkt gelenkt und so zwölf Menschen getötet sowie rund 50 verletzt zu haben?
Seit wann ist Amri in Deutschland?
Amri kam im Juli 2015 nach Deutschland. Er sei „hochmobil“ gewesen, berichtet Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD). Er tauchte zunächst in Freiburg in Baden-Württemberg auf, dann in Nordrhein-Westfalen und Berlin - dort habe er seit Februar 2016 überwiegend gelebt.
Wie ist sein Status?
Sein Asylantrag war im Juni dieses Jahres vom zuständigen Bundesamt abgelehnt worden, die Behörden in Kleve (NRW) betrieben seine Ausweisung. „Der Mann konnte aber nicht abgeschoben werden, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte“, sagt Jäger. Tunesien habe zunächst bestritten, dass es sich um seinen Staatsbürger handele.
Schließlich stellte das nordafrikanische Land aber doch Ersatzpapiere aus - sie seien an diesem Mittwoch eingetroffen - zwei Tage nach dem Anschlag. „Ich will diesen Umstand nicht weiter kommentieren“, sagt der NRW-Innenminister. Er hatte zuvor bereits mehrfach beklagt, wie schwierig es ist, nordafrikanische Straftäter in ihre Heimatländer abzuschieben.
Was weiß man über Amri?
Dem Geburtsdatum zufolge, dass für ihn angegeben ist, wird er an diesem Donnerstag 24 Jahre alt. Er wurde von mehreren Behörden in Deutschland als islamistischer Gefährder beobachtet und verwendete mehrere Alias-Namen. Amri habe Kontakt zur radikal-islamistischen Szene gehabt, sagt Jäger. Die „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR berichteten von Kontakten zum Netzwerk des kürzlich verhafteten Hildesheimer Salafisten-Predigers Abu Walaa, laut Jäger der „Chefideologe“ der Salafisten-Szene. Zuletzt tauschten sich die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern im November im Terrorismusabwehrzentrum in Berlin über ihn aus.
Gab es bereits Ermittlungen gegen Amri?
Ja. In Berlin wurde zeitweise vom dortigen Generalstaatsanwalt gegen Amri ermittelt, und zwar wegen des Verdachts der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat. Hintergrund waren nach Angaben der Behörde Hinweise auf einen geplanten Einbruch, um Geld für den Kauf von Waffen zu beschaffen - möglicherweise für einen Anschlag. Amri wurde deshalb in Berlin von März bis September dieses Jahres überwacht. Die Observation lieferte aber nur Hinweise, dass er als Kleindealer im Görlitzer Park tätig sein könnte, einem bekannten Drogen-Umschlagplatz in Berlin. Diese Erkenntnisse wurden laut Generalstaatsanwaltschaft zur Strafverfolgung an die zuständigen Stellen weitergeleitet, die Observation eingestellt.
Wie stark ist der Verdacht?
Amris Papiere lagen im Fußraum des Lastwagens, der für den Anschlag benutzt wurde. Entscheidend ist, wie sie dorthin kamen: Wurden sie - quasi als Bekenntnis - absichtlich dorthin gelegt? Verlor Amri sie im Kampf mit dem polnischen Lastwagenfahrer? Wurden sie gestohlen und dort platziert, um eine falsche Fährte zu legen? „Die Tatbeteiligung ist überhaupt nicht geklärt“, sagt Jäger.
Gibt es Parallelen?
Ermittler sehen auffällige Parallelen zum Fall von Tarik B. Der Tunesier war im Alter von 24 Jahren im vergangenen Januar in Paris von der Polizei erschossen worden, als er Polizisten mit einem Schlachterbeil und dem Ruf „Allah ist groß“ angriff. Der Asylbewerber kam damals aus einer Unterkunft in Recklinghausen. Er hatte in sieben europäischen Ländern Asylanträge gestellt und 20 verschiedene Identitäten vorgetäuscht.
Was weiß man über die Vorgeschichte des Verdächtigen?
Amri soll nach Medienberichten vier Jahre in Italien im Gefängnis gesessen haben. Er sei 2011 als Flüchtling nach Italien gekommen und in einem Auffanglager für Minderjährige auf Sizilien untergebracht worden, berichtet die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf Ermittlerkreise. In dem Lager habe er „diverse Straftaten“ begangen. Nach Berichten der Zeitung „La Stampa“ soll er das Auffanglager angezündet haben. Als Volljähriger wurde er den Informationen zufolge festgenommen, kam vor Gericht und wurde zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach der Verbüßung sei er des Landes verwiesen worden, bei der geplanten Ausweisung habe es jedoch Probleme mit den tunesischen Behörden gegeben. Amri habe Italien verlassen und sich nach Deutschland absetzen können.