Wer leidet unter den Streiks, wie teuer sind sie, wie geht's weiter?
Frankfurt/Berlin (dpa) - Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage streiken Lokführer und Lufthansa-Piloten hintereinander.
Nach dem Ende des Lokführerausstands am Montagmorgen starteten am Mittag die Flugkapitäne die achte Streikwelle. Pendler und Reisende fragen sich verzweifelt, wann ist eine Lösung der Tarifkonflikte in Sicht? Gibt es Anzeichen für eine Annäherung?
Wen treffen die Ausstände?
Nach Angaben der Bahn sind gut sechs Millionen Menschen täglich auf der Schiene unterwegs - wenn nicht gestreikt wird. Bei der Lufthansa trafen die vergangenen sieben Streikwelle mehr als eine halbe Million Passagiere. Wegen des neuen Ausstands müssen Lufthansa zufolge weitere etwa 166 000 Passagiere ihre Reisepläne ändern. 1511 Flüge wurden gestrichen.
Wer leidet noch unter den Streiks?
Die Streiks schaden aus Sicht der Industrie der gesamten Volkswirtschaft, vor allem dem Logistik-Standort Deutschland. Mit Blick auf den Piloten-Ausstand sagte Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: „Der Streik blockiert globale Logistikprozesse, den Tourismus und viele Geschäftsreisen.“ Auch der Präsident des Handelsverbands Deutschland HDE, Josef Sanktjohanser, warnt vor hohen Schäden. „Wenn die Kunden wegbleiben und die Ware nicht ankommt, weil die Bahn nicht fährt, ist das eine absolute Katastrophe für unsere Unternehmen und Beschäftigten“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik klagt, wichtige Industriebranchen würden von der Rohstoffversorgung abgeschnitten. Wichtig ist die Bahn unter anderem für die Chemieindustrie. Knapp 14 Prozent der Chemikalien wurden 2013 mit der Bahn transportiert. „Streiks können weitreichende Konsequenzen für Chemieunternehmen haben“, heißt es beim Branchenverband VCI. Für Reisebüros bedeuten Streiks wiederum mehr Arbeit durch Umbuchungen und Stornierungen und damit mehr Kosten, die sie nicht erstattet bekommen.
Wie stehen die Aussichten für eine Annäherung bei der Lufthansa?
Zwischen Lufthansa und der Pilotengewerkschaft VC herrscht Funkstille. Die letzten Gespräche platzten Ende August. Die Lufthansa wirft der Gewerkschaft vor, bislang nicht - wie angekündigt - einen Vorschlag vorgelegt zu haben, wie die Kosten bei der Übergangsrente der Piloten gedeckelt werden können. Die Lufthansa möchte, dass die 5400 Kapitäne und Co-Piloten von Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings später als bisher in den vom Unternehmen bezahlten Vorruhestand gehen. Cockpit argumentiert, das letzte Angebot der Lufthansa enthalte nur minimale Änderungen, das Unternehmen „mauere“. Vorstandschef Carsten Spohr will die Lufthansa wegen des immer härteren Wettbewerbs umbauen und verlangt auch von anderen Berufsgruppen wie Flugbegleitern Zugeständnisse. Da dürfte es schwierig werden, die Übergangsrente der Piloten - in der Regel 124 000 Euro im Jahr - unverändert zu lassen.
Gibt es Anzeichen für eine Annäherung bei der Bahn?
Ein neuer Verhandlungstermin wurde noch nicht vereinbart. GDL und Bahn senden aber nach dem Streik-Wochenende Signale, wieder miteinander sprechen zu wollen. Die Wiederaufnahme der Gespräche dürfte nur dann gelingen, wenn beide Seiten erst einmal keine Bedingungen stellen. Die GDL will unbedingt auch für Zugbegleiter, Bistro-Mitarbeiter und einige andere federführend verhandeln, die Bahn lehnt das ab. Ein Kompromiss in dieser heiklen Frage scheint sehr schwierig.
Wie hoch ist der volkswirtschaftliche Schaden der Ausstände?
Für einen kompletten Streiktag bei der Bahn dürfte der volkswirtschaftliche Schaden nach früheren Expertenschätzungen bis zu 50 Millionen Euro täglich betragen. Allein bei der Bahn verursachte Ausstand am Wochenende einen wirtschaftlichen Schaden „in zweistelliger Millionenhöhe“. Die Lufthansa selbst hatte allein für den dreitägigen Vollstreik zum Auftakt im April von einem Verlust bei der Fluggesellschaft in Höhe von rund 60 Millionen Euro berichtet.
Welche Folgen haben die Streiks für die Konjunktur?
Seit einiger Zeit schwächelt die deutsche Wirtschaft. „Die Streiks sind nicht förderlich, aber wir haben größere Sorgen als die Ausstände“, sagt der Chefvolkswirt der Dekabank Ulrich Kater. Für einzelne Firmen könnten die Streikwellen Folgen haben, für die Gesamtkonjunktur sei aber nicht mit größeren Konsequenzen zu rechnen. „Das wäre allerdings anders, wenn ein Streik zwei oder drei Wochen die gesamte Verkehrslogistik lahmlegen würde.“