Wütende Zyprer: „Wir sind keine Versuchskaninchen“
Nikosia (dpa) - Der Zorn der Zyprer lässt die Politik einlenken. Die Inselbewohner wehren sich, weil der Staat Teile ihres Vermögen zur Krisenbewältigung konfiszieren will. Nun soll nachgebessert werden.
Die Stimmung in der kleinen Inselrepublik ist explosiv. In allen Parteien und in der Gesellschaft herrscht Aufruhr. Keiner mag hinnehmen, dass Kinder und Rentner mit kleinen Ersparnissen mit einer Zwangsabgabe auf Bankeinlagen dem Staat unter die Arme greifen müssen - und damit auf eine Stufe mit Wohlhabenden aus Russland und der Ukraine gestellt werden.
Der konservative Präsident Nikos Anastasiades musste am Montag einlenken. Die Abstimmung im Parlament in Nikosia über die erstmalige Zwangsabgabe für Bankeinlagen - als Bedingung für das Milliarden-Hilfspaket der Euro-Partner - wurde zum zweiten Mal binnen 48 Stunden verschoben. Am Abend billigten dann die Euro-Finanzminister Zypern Änderungen bei der umstrittenen Zwangsabgabe auf Kontenguthaben zu.
Kleinsparer sollten anders behandelt werden als die Inhaber großer Vermögen, teilte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nach einer Telefonkonferenz mit. Guthaben unter 100 000 Euro seien garantiert. Auf Details ging der Niederländer nicht ein.
Anastasiades' Koalitionspartner und Chef der Demokratischen Partei, Marios Karogian, hatte zuvor stellvertretend den Volkszorn widergegeben: „Wir (Zyprer) sind keine Versuchskaninchen.“ Sogar aus eigenen Reihen des Regierungslagers hatten sich Abweichler gemeldet.
Ohne die am Montag eilends angeschobenen Ausbesserungen wäre das Gesetz offenbar nicht durchzubringen gewesen. Scheitert das Gesetz, könnte indes das ganze politische System zusammenbrechen - und die Insel binnen Stunden der erste Euroland-Staat werden, der pleitegeht. Die Abgeordneten wollen jetzt am Dienstagabend zusammenkommen, um über das neue Gesetz zu beraten und abzustimmen. Bis dahin muss irgendwie das Rettungsprogramm so verschönert werden, dass die Bürger es akzeptieren.
Hunderte Bürger versuchten am Samstag ihr Geld abzuheben. Der Teilsieg der Menschen auf der Straße und der politischen Gegner des Sparprogramms ändert nämlich nichts daran, dass der aufgeblasene zyprische Bankensektor verkleinert werden muss, bevor er den Staat mit in den Abgrund zieht. Reiche Russen und Ukrainer - so Experten der EU - dürften nicht mehr von einem Bankensystem profitieren, das ihren Bedürfnissen angepasst ist. Der EU ist das Thema Schwarzgeld ein Dorn im Auge. Unabhängige Studien zeigen zwar, dass Zypern nicht ganz oben auf der Liste der Staaten ist, die Gelder aus dubiosen Quellen aufnehmen. Allerdings: Zypern hat internationale Finanzhilfe beantragt, weil eine schwere Bankenkrise die Insel erschüttert.
Am Montag konnten viele Zyprer die Solidarität anderer Europäer spüren. Hinter ihnen stand fast die gesamte internationale Presse. Noch nie habe es so einen Schlag gegen den Anlegerschutz gegeben, lautete der Tenor in fast allen Medien. Es könnte ein gefährlicher Präzedenzfall werden, obwohl immer wieder betont wird, bei Zypern handele es sich um einen Einzelfall. Tabus zu brechen sei manchmal keine gute Idee, hieß es in Nikosia. „Das hat nichts mit ökonomischer Logik zu tun“, sagten einstimmig die Menschen auf den Straßen.
Die zweite Halbzeit der Zypern-Rettung soll am Dienstag gespielt werden. Das Parlament soll entscheiden, wer wieviel zahlen muss, um das Land zu retten. Die Zahlen sind klar. Die Bedingungen der Geldgeber auch: Zypern braucht 17,5 Milliarden Euro. Die Eurogruppe ist bereit, zehn Milliarden beizusteuern. Weitere 5,8 Milliarden Euro müssen die Bürger und die Oligarchen durch die Zwangsabgabe auf Bankeinlagen zahlen.
Den Rest der 1,7 Milliarden Euro will Zypern bei den Russen suchen. Möglicherweise könnte eine russische Bank eine der zyprischen Geldinstitute übernehmen. Zudem hofft Zypern auf eine Streckung der Zahlung eines russischen Kredites in Höhe von 2,5 Milliarden Euro.