Wulff soll auch Springer-Chef Döpfner gedroht haben
Berlin (dpa) - Bundespräsident Christian Wulff soll in der Kreditaffäre nicht nur dem „Bild“-Chef gedroht haben, sondern auch Springer-Chef Döpfner. Schwarz-Gelb dementiert derweil heftig, dass bereits über Wulffs Nachfolge beraten wird.
Der Springer-Verlag bestätigte am Samstagabend einen Bericht, demzufolge Wulff vor der Berichterstattung über seinen Hauskauf-Kredit bei Verlagschef Mathias Döpfner nicht nur interveniert, sondern auch gedroht haben soll - ähnlich wie beim „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. Nach einem anderen, nicht bestätigten Bericht sollen die Drohungen auf Diekmanns Handy-Mailbox das Bemühen um lediglich eine Verschiebung der Veröffentlichung bei weitem überwogen haben. Eine Bestätigung oder Stellungnahme des Präsidialamtes war zunächst nicht zu erhalten.
Vehement dementierte derweil die schwarz-gelbe Koalition weitere Medienberichte, denen zufolge sich die drei Parteichefs für den Fall eines Rücktritts von Wulff bereits über das Vorgehen geeinigt haben sollen. Die „Rheinische Post“ schrieb, Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler wollten das Staatsoberhaupt nicht mehr stützen, wenn sich herausstelle, dass Wulff nicht in allen Punkten die volle Wahrheit gesagt habe. Nach Angaben des Blattes und der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“) soll dann ein Kandidat vorgeschlagen werden, dem sich die Opposition schwer verweigern kann.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte der „FAS“, natürlich stehe Merkel mit Vizekanzler Rösler in permanentem Kontakt: „Sie sieht aber keine Veranlassung, über eine Nachfolge für den Bundespräsidenten zu sprechen.“ Auch Seehofer stellte klar: „An diesem Bericht ist nicht das Geringste dran, er ist schlicht die Unwahrheit.“ FDP-Vizesprecherin Kathrin Klawitter erklärte: „Die Berichte und Gerüchte sind frei erfunden.“
Am Samstagnachmittag kamen am Amtssitz des Bundespräsidenten etwa 400 Demonstranten zu Protesten gegen Wulff zusammen. Sie hielten nahe dem Schloss Bellevue Schuhe hoch - in der arabischen Kultur eine Geste des Ärgers, der Verhöhnung und Verachtung.
Nach „Spiegel“-Angaben hat der Bundespräsident vor dem ersten „Bild“-Bericht über seinen Privatkredit bei Döpfner zunächst - wie bei Diekmann - auf die Mailbox gesprochen. Es sei die Rede gewesen von einer „Bild“-Kampagne und ungerechtfertigter Skandalisierung, schreibt das Magazin unter Berufung auf Angaben aus dem Springer-Verlag, in dem das Boulevardblatt erscheint. Bei Döpfners Rückruf sei Wulff dann sehr deutlich geworden: Wenn der Artikel erscheine, bedeute das Krieg zwischen dem Präsidialamt und Springer bis zum Ende seiner Amtszeit, so das Magazin weiter.
Der für die „Bild“-Zeitung zuständige Springer-Sprecher Tobias Fröhlich sagte auf Anfrage: „Wir können die Darstellung des "Spiegels" bestätigen, wollen das aber nicht weiter kommentieren.“ Das Bundespräsidialamt verwies laut „Spiegel“ darauf, dass Wulff über Vieraugengespräche und Telefonate grundsätzlich keine Auskunft gebe.
In der Nachricht auf Diekmanns Handy sagte Wulff laut „Spiegel“ an jenem Dezemberabend: „Ich habe alles offengelegt, Informationen gegeben, mit der Zusicherung, dass die nicht verwandt werden. Die werden jetzt indirekt verwandt, das heißt, ich werde auch Strafantrag stellen gegenüber Journalisten morgen, und die Anwälte sind beauftragt.“ Die „Bild“-Redakteure hatten zuvor im Schloss Bellevue Einsicht in den Kreditvertrag bekommen und so erfahren, dass seine Kreditgeberin die Unternehmergattin Edith Geerkens war. Das Bundespräsidialamt erklärte laut „Spiegel“, „Bild“ habe damals zugesagt, den Namen nicht zu nennen, solange es sich nicht um einen Großunternehmer wie Carsten Maschmeyer handle. „Bild“ bestreitet das.
Nach der dem „Spiegel“ vorliegenden Mailbox-Abschrift fragte Wulff, der damals auf Staatsreise in der Golf-Region war, warum „Bild“ nicht akzeptieren könne, „wenn das Staatsoberhaupt im Ausland ist, zu warten, bis ich Dienstagabend wiederkomme, also morgen, und Mittwoch eine Besprechung zu machen, wo ich mit Herrn ... den Redakteuren rede, wenn Sie möchten, die Dinge erörtere, und dann können wir entscheiden, wie wir die Dinge sehen, und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen.“
Wulff habe damit zwar tatsächlich um einen Tag Verschiebung gebeten, aber andererseits mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, schreibt der „Spiegel“. Diese Darstellung deckt sich mit der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“). Ihr zufolge sollen in dem Mailbox-Anruf die Drohungen gegen Springer die Bitte um eine Verschiebung der Veröffentlichung bei weitem überwogen haben.
Trotz der Dementis aus der Koalition wäre es ungewöhnlich, wenn sich die Spitzen der Regierungsparteien nicht auf einen möglichen Rücktritt Wulffs vorbereiten. In der Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt in geheimer Abstimmung wählt, hat Schwarz-Gelb nur noch eine knappe Mehrheit. Daher wäre ein Kandidat sinnvoll, den auch SPD und Grüne mittragen können. Im Gespräch sind unter anderem Ex-Umweltminister Klaus Töpfer und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU).
Der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Peter Altmaier, erwartet kein schnelles Ende der Debatte. Die Klärung der offenen Fragen werde „noch eine Reihe von Tagen oder möglicherweise Wochen“ dauern, sagte er im Deutschlandfunk. FDP-Vize Holger Zastrow verlangte in der „FAS“ von Wulff: „Die Vorwürfe müssen ausgeräumt werden, und das ist noch nicht gänzlich geschehen.“
Scharfe Kritik übte SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Es ist schlimm, dass der Bundespräsident es so weit hat kommen lassen. Diese ganze Auseinandersetzung ist unwürdig und abstoßend“, sagte er der „Bild“-Zeitung. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte im „Tagesspiegel am Sonntag“ Merkel auf, sie solle sich „endlich zu der Bewertung durchringen, ob die Präsidentschaft Wulff für weitere dreieinhalb Jahre trägt“.