Am 313. Verhandlungstag Zschäpes erste Worte: Hochdeutsch, leise, dünne Stimme

München (dpa) - Ihre Stimme klingt dünn. Sie spricht leise ins Mikrofon, hochdeutsch mit einem nur angedeuteten Hauch thüringischer Mundart, und hält dabei ein Din-A4-Blatt in der Hand, von dem sie abliest.

Zum ersten Mal im NSU-Prozess spricht Beate Zschäpe selbst, die Frau, die die Hauptangeklagte dieses Mammutverfahrens ist.

Es ist der 313. Verhandlungstag, dreieinhalb Jahre nach Beginn des Prozesses. Es ist das erste Mal, dass ihre Stimme durch die Lautsprecher im Saal 101 des Münchner Oberlandesgerichts zu hören ist. Der Umstand, dass sie überhaupt spricht, scheint interessanter als was sie sagt.

Was sie sagt, ist im Wesentlichen aus früheren Erklärungen bekannt, die ihre beiden Vertrauensanwälte für sie verlesen haben. „Damals“, sagt sie jetzt und meint damit die Zeit vor und um das Jahr 1998, „identifizierte ich mich durchaus mit Teilen des nationalistischen Gedankengutes“. 1998 war das Jahr, in dem sie mit ihren beiden Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in den Untergrund ging.

Im Laufe der Jahre aber seien ihr solche Dinge „wie Angst vor Überfremdung zunehmend unwichtiger“ geworden. Und „heute“ schlussendlich „beurteile ich Menschen nicht nach Herkunft und politischer Einstellung, sondern nach Benehmen“, liest Zschäpe aus ihrer Erklärung ab, mit gleichbleibendem Sprechtempo, zwar nicht monoton, aber eindeutig abgelesen klingend. Möglicherweise ist sie einfach nervös - aber da gehen die Bewertungen der Prozessbeteiligten und -beobachter nachher auseinander.

In derselben Tonart endet sie dann auch. Sie bedaure ihr „Fehlverhalten“, sagt sie, wobei dieser Satz offenlässt, was genau sie damit meint. Und sie verurteile, was Mundlos und Böhnhardt ihren Opfern „angetan haben“. Dabei verweist sie auf frühere, von den Anwälten verlesene Erklärungen.

Die letzte dieser Erklärungen hatte es unmittelbar vor Zschäpes eigener Wortmeldung gegeben. Da hatte Rechtsanwalt Hermann Borchert Antworten Zschäpes auf Fragen des OLG-Senats verlesen. Darin hieß es, sie habe nichts über die Pläne Mundlos' und Böhnhardts für Morde und Raubzüge gewusst, auch nicht, wie die beiden ihre Opfer auswählten. Schon gleich beim ersten Bankraub habe sie nicht mitmachen wollen, weil sie „viel zu viel Angst“ gehabt habe.

Aber sie habe aus den „Schilderungen“ der beiden von den Morden gewusst und „mit den beiden in engsten Verhältnissen“ gelebt, so dass man „daraus auf eine Mittäterschaft meinerseits schließen könnte“, liest Borchert im Namen Zschäpes vor. Genau das tue etwa die Bundesanwaltschaft, die sie tatsächlich wegen Mittäterschaft angeklagt hat, und so sähen es auch die Medien. Borchert wiederholt den Vorwurf, den Zschäpes Verteidigung von Anfang an immer mal wieder vorgebracht hat, dass Zschäpe öffentlich „vorverurteilt“ werde.

Zschäpes erste selbst vorgetragene Erklärung dauert vielleicht eine Minute. Warum gerade jetzt? Vielleicht, um in der Schlussphase des Prozesses ein letztes Mal um Sympathien in der Öffentlichkeit zu werben? Oder, wie Rechtsanwalt Yavuz Narin vermutet, der die Familie des ermordeten Münchner Geschäftsmannes Theodoros Boulgarides vertritt, als „Zuckerl“ für den psychiatrischen Gutachter, der Zschäpes Persönlichkeit beurteilen soll?

Dessen schriftliches vorläufiges Gutachten soll Mitte Oktober fertig werden. Es gilt als Schlusssignal für die Beweisaufnahme. Danach kämen die Plädoyers, und dann bliebe nur noch die Frage, welches Urteil das Gericht gegen Zschäpe verhängen will und damit auch, wie der Staat die zehn Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“, fast alle aus Fremdenhass verübt, ahnden will.