Abwasser- und Müllgebühren: Hohe Zinsen und zwielichtige Kosten
Bei den Abwasser- und Müllgebühren läuft vieles falsch, meint der Bund der Steuerzahler NRW. Er fordert Transparenz im Sinne der Bürger.
Düsseldorf. Obwohl die durchschnittlichen Abwassergebühren in NRW 2018 erstmals seit Jahrzehnten leicht rückläufig sind (siehe Grafik), ist der Bund der Steuerzahler nicht zufrieden. Grund: die Kalkulation der Kapitalkosten. Verbandschef Heinz Wirz spricht von einer „Abzocke auf Kosten der Gebührenzahler“. Nach Einschätzung des Bundes könnten die Gebühren vielerorts deutlich niedriger sein.
Es geht um die Berechnung der sogenannten kalkulatorischen der Kosten. Sie können bis zu zwei Drittel der Gebührensätze ausmachen. In den Abwasserkanälen wird über sehr lange Zeit sehr viel Kapital gebunden. Wenn die Kanäle nach dem Wiederbeschaffungszeitwert (Kosten der Infrastruktur, wenn sie heute erstellt würde) und nicht nach dem Anschaffungswert (Kosten der Infrastruktur zum Zeitpunkt ihrer Erstellung) abgeschrieben werden, wird es für die Gebührenzahler erheblich teurer. Wirz fordert von der Landesregierung, die Abschreibung auf Grundlage der Wiederbeschaffungszeitwerte per Gesetz zu verbieten.
Die Kosten steigen weiter, wenn die kalkulatorischen Zinsen hoch angesetzt werden. Es geht darum, wie die Kommunen das im Kanalsystem langfristig gebundene Eigenkapital verzinsen. Rechtlich sind derzeit bis zu 6,37 Prozent möglich. Diesen Rahmen nutzen viele Kommunen aus, obwohl die Zinsen bei einer Anlage am Kapitalmarkt seit Jahren extrem niedrig sind. Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes sollten die Kommunen nur effektiv gezahlte Zinsen in Rechnung stellen.
Wirz wirft den Städten und Gemeinden vor, mit Hilfe zu hoher Abwassergebühren Gewinne zu erzielen, die in die kommunalen Haushalte fließen. Als Beispiel nennt er Düsseldorf. 2016 habe der Stadtentwässerungsbetrieb aus dem Jahresgewinn 3,5 Millionen Euro an die Stadt abgeführt.
Sehr kritisch sieht der Verband auch die Abfallgebühren an Rhein und Ruhr, obwohl es auch in diesem Bereich etwas billiger geworden ist. Die 14-tägliche Leerung einer 120-Liter-Restmülltonne kostet derzeit im Landesdurchschnitt 261 Euro, vier Euro weniger als ein Jahr zuvor. Was dem Steuerzahlerbund missfällt, sind die zwielichtigen Kostenstrukturen. Das gilt vor allem für die Müllverbrennung, die etwa 80 Prozent der Kosten ausmacht. „Viele Städte und Gemeinden weigern sich, uns ihre Kosten für die Müllverbrennung zu nennen“, so Wirz. „Das ist eine geheime Kommandosache.“ Alle Versuche des Verbandes, mit Hilfe der Gerichte Licht in das Dunkel zu bringen, sind gescheitert. Wirz: „Die Verbrennungsentgelte gelten als Geschäftsgeheimnisse.“
Offene Fragen gibt es auch beim Einsammeln und Transportieren des Abfalls. Kommunen berichten, dass sich auf EU-weite Ausschreibungen für diese Leistung nur ein oder zwei Anbieter melden. Die Tendenz bei den Preisen zeigt nach Einschätzung des Steuerzahlerbundes eindeutig nach oben. Das Bundeskartellamt prüft, ob bei der Abfallentsorgung ein Marktversagen vorliegt. Der Verdacht, dass unerlaubte Preisabsprachen stattfinden, drängt sich auf.
Einer der Müllriesen ist die Firma Remondis aus Lünen. Sie sammelt bereits für viele Kommunen den Abfall ein. Seit Monaten wird zudem spekuliert, dass Remondis vor der Übernahme des Dualen Systems Deutschlands steht — und damit auch beim Verpackungsmüll das Zepter übernimmt.