Wirtschaft Ackermann: Reizfigur und Staatsmann
Eine ganze Dekade prägte er die Deutsche Bank: Der Schweizer gilt als Buhmann, aber auch als ein kluger Kaufmann. Der Manager wird am Mittwoch 70 Jahre alt.
Frankfurt. Er reizte die Massen: Josef Ackermann. Als Chef der Deutsche Bank stand der Schweizer von 2002 bis 2012 im Rampenlicht wie kaum ein anderer Manager in Deutschland. Buhmann oder Staatsmann? Saulus oder Paulus? Das Urteil über sein Lebenswerk fällt gegensätzlich aus — je nachdem, welche Quelle man heranzieht. Ackermann selbst scheint mit sich im Reinen. „Gerade in Deutschland habe ich oft den Eindruck, sie wissen das, was die Deutsche Bank in meiner Zeit an der Spitze erreicht hat, heute mehr zu schätzen als je zuvor“, sagt er anlässlich seines 70. Geburtstages am Mittwoch.
Im Mai 2002 übernimmt der Investmentbanker als erster Ausländer den Chefposten bei Deutschlands führendem Geldhaus. Die Anfangsjahre sind holprig: 2004 zeigt er im Gerichtssaal grinsend das Victoryzeichen, 2005 verkündet er in einem Atemzug ein scheinbar wahnwitziges 25-Prozent-Renditeziel und den Abbau Tausender Stellen.
Ackermann fühlt sich seinerzeit missverstanden: „Das ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen“, schimpft er im Januar 2004 im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess — eine Aussage, die er heute bereut: „Das war aus der Verärgerung heraus gesagt, unüberlegt und sehr missverständlich.“ Der Prozess um Untreue bei der Zahlung üppiger Prämien im Zuge der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone wird nach fast drei Jahren gegen Geldauflage eingestellt.
In der Finanzkrise 2007/2008 präsentiert sich Ackermann geläutert. „Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen“ — wie eine Monstranz trägt er dieses Credo in seinen letzten Jahren an der Bankspitze vor sich her. Die Krise habe Ackermann „nachdenklicher, menschlicher“ gemacht, sagt ein Weggefährte. „Späte Reue“ nennt es sein damaliger Kommunikationschef Stefan Baron in einem gleichnamigen Buch.
Ackermann räumt Fehler seiner Zunft ein. Hat er auch selbst Fehler gemacht? „Natürlich habe ich das“, sagt er. „Wir dachten in der Branche damals zum Beispiel alle, durch die Verbriefung von Forderungen, also deren Verteilung auf viele Schultern, sei die Ausfallgefahr viel geringer geworden. Dabei sind wir wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich jeder nur so viel auflädt, wie er auch im Notfall noch tragen kann. Das war ein Irrtum.“
Würde er heute wieder Banker werden? „Vermutlich ja. Der Beruf ist sehr reizvoll für Menschen, die vor allem an wirtschaftlichen Dingen interessiert sind (. . .), denn er bietet nicht nur Einblick in eine einzige Branche, sondern in die gesamte Wirtschaft. Er macht dadurch auch viele Freundschaften mit Menschen verschiedenster Art in vielen unterschiedlichen Wirtschaftszweigen möglich. Zudem hat er eine starke politische Dimension. Das alles ist sehr bereichernd.“
Als Deutsche-Bank-Chef steigt „Joe“ Ackermann zum gefragten Gesprächspartner der Politik auf. Ob Notfallplan für die Hypo Real Estate (HRE) oder Bankenbeitrag zur Griechenland-Rettung: Der Schweizer verhandelt mit.
Doch mit deutlichen Worten eckt er immer wieder an. Ob es um Staatshilfen für strauchelnde Banken geht („Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.“) oder die Krise um Schuldensünder Griechenland („Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln.“).
Ohne Steuergelder, so rühmt sich Ackermann, sei die Deutsche Bank durch die Finanzkrise gekommen und habe erneut Milliarden verdient. Fast sechs Jahre nach seinem Abschied kämpft Ackermann auch um sein Erbe. Denn die Erfolgsgeschichte kommt nicht mehr so makellos daher, wenn die heutige Konzernführung sie erzählt: Die Bank sei Probleme zu spät angegangenen, kritisiert Vorstandschef John Cryan im Sommer 2017: „Andere Häuser nahmen schon 2010 oder 2011 große Veränderungen in Angriff.“ Die Deutsche Bank schreibt 2017 zum dritten Mal in Folge rote Zahlen für das Gesamtjahr.
Zinsmanipulationen (Libor), dubiose US-Hypothekengeschäfte — die Liste der Altlasten, die die vergangenen Jahre belasteten, ist lang. Ackermanns Anspruch, das Haus „besenrein“ zu übergeben — ein leeres Versprechen? Der Jubilar betont: „Ich habe seinerzeit eine Bank (. . .) übergeben, die für die Zukunft gut aufgestellt war.“ Das damalige Management habe „alles zeitnah korrigiert, was als korrekturbedürftig erkennbar war“.