Insolventen Fluggesellschaft Air Berlin drückt bei Verkauf aufs Tempo
Berlin (dpa) - Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann will die Übernahme der insolventen Fluggesellschaft innerhalb weniger Wochen unter Dach und Fach bringen.
„Wir wollen den Verkauf spätestens im September abschließen. Sonst schwindet das Vertrauen der Kunden in die Airline“, sagte Winkelmann der Zeitung „Bild am Sonntag“. Ein Angebot des Nürnberger Unternehmers Hans Rudolf Wöhrl sieht Air Berlin als nicht seriös an. „Wir halten das für einen PR-Gag eines Trittbrettfahrers“, hieß es am Sonntag bei der Airline. Die Bundesregierung sprach sich gegen die Übernahme durch nur ein Unternehmen aus.
Bestätigt sind bislang Gespräche mit Lufthansa, die seit Freitag konkret geführt werden. Als Interessenten gelten zudem die britische Billigfluggesellschaft Easyjet, Tuifly sowie die Thomas-Cook-Tochter Condor. In einem offenen Brief an Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig warf Wöhrl der Bundesregierung vor, sie bevorzuge die Lufthansa. „Der Verlust von vielen Arbeitsplätzen, insbesondere im Verwaltungsbereich, wird dabei billigend in Kauf genommen.“ Auf Facebook schrieb Wöhrl, die große Koalition „sorgt mit Steuergeldern nicht für mehr Wettbewerb, sondern schafft ein Monopol“.
Unmut herrscht bei den Konkurrenten der Lufthansa über die Besetzung des Gläubigerausschusses, der letztlich über den Verkauf entscheidet. Denn in den Gremium sitzt auch ein Vertreter der Lufthansa-Billigtochter Eurowings. Das ist so, weil Eurowings von Air Berlin 38 Flugzeuge angemietet hat.
Der Gläubigerausschuss müsse die Nachhaltigkeit der verschiedenen Angebote überprüfen, schilderte ein Insider die Situation. „Die Bieter müssen dort komplett die Hosen runterlassen, und die Lufthansa kann in Ruhe die Geschäftsmodelle studieren“, sagte er.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sind die Bücher von Air Berlin für Interessenten, nicht nur die Lufthansa, in geschützten Datenräumen bereits seit Ende Mai einsehbar. Die „Bild am Sonntag“ hatte berichtet, dass Lufthansa seit Mai die Finanzdaten von Air Berlin prüfe. Winkelmann hatte Ende April davon gesprochen, das Unternehmen sei „offen für neue Partnerschaften und neue Kooperationen“.
Air Berlin habe „mit mehr als zehn Interessenten gesprochen, darunter mit mehreren Fluglinien“, sagte der Airline-Chef der Zeitung. Wie viele davon derzeit noch dabei sind, wollte ein Unternehmenssprecher nicht preisgeben. Winkelmann erwartet keine komplette Übernahme durch nur einen Bieter. „Es wird nicht einen, sondern zwei oder drei Käufer geben“, sagte er.
Wöhrl hatte nach Mitteilung vom Freitag über eine Münchner Kanzlei ein formelles Angebot für die Fluggesellschaft abgegeben. Ziel der Offerte sei es, die Air Berlin Gruppe als Ganzes zu erhalten und als unabhängige Airline fortzuführen. Das Unternehmen stellte hingegen fest, dass bis Sonntagmittag keine Offerte von Wöhrl eingegangen sei. In seinem Offenen Brief kündigte der Unternehmer an: „Wenn wir am Ende einer sorgfältigen Prüfung ein konkretes Angebot abgeben, dann wird Deutschland seine zweite große Airline behalten.“
Die Bundesregierung lehnte eine Übernahme durch Wöhrl allein klar ab. „Das Modell Air Berlin als eine eigenständige Airline ist ja gescheitert“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig am Samstag dem RBB-Inforadio. Man müsse „nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass man jetzt mehrere Partner braucht“. Es werde auch keinen Zuschlag alleine an die Lufthansa geben. „Das wäre kartellrechtlich und wettbewerbsrechtlich gar nicht möglich.“
Nach eigenen Angaben ist der Bund an den Verhandlungen nicht beteiligt und steuert sie auch nicht. Die Bundesregierung hatte Air Berlin mit einem Brückenkredit in Höhe von 150 Millionen Euro geholfen. Das war unter anderem von Ryanair scharf kritisiert worden. FDP-Chef Christian Lindner forderte in der „B.Z.“ (Montag): „Es muss jetzt ausgeschlossen werden, dass es weitere Staatshilfe gibt.“
Der Vorsitzende der Monopolkommission, Achim Wambach, warnte vor einer politisch motivierten Bevorzugung der Lufthansa bei der Zerschlagung von Air Berlin. Ein Ausbau der Lufthansa-Marktanteile in der internationalen Luftfahrt sei zwar grundsätzlich zu begrüßen. „Es überzeugt aber nicht, wenn dies dadurch erfolgen sollte, dass auf Wettbewerb auf deutschen Flugstrecken verzichtet würde“, sagte Wambach der „Welt am Sonntag“. In der Regel führe weniger Wettbewerb zu weniger Innovationen und zu unattraktiveren Produkten.
Air-Berlin-Kunden können ihre gesammelten Flugmeilen nicht mehr gegen Gratisflüge oder andere Prämien einlösen. „Wir müssen das Meilensammeln und das Meileneinlösen solange aussetzen, bis wir Klarheit über die Situation bei Air Berlin erlangt haben“, hieß es auf der Seite des Programms Topbonus. Ein Airline-Sprecher sagte: „Air Berlin bedauert, dass der Mehrheitseigner das Topbonus-Programm offenbar nicht weiter führen will.“ Etihad hält 70 Prozent an dem Vielfliegerprogramm, Air Berlin 30 Prozent.