Altersvorsorge: Schlechte Beratung kostet Verbraucher Milliarden

Berlin/Frankfurt (dpa) - Die Wahl der richtigen Altersvorsorge gleicht einer Studie zufolge einer Lotterie. Denn Verbraucher verlieren jedes Jahr Milliarden - weil sie schlecht oder sachlich falsch beraten werden und weil die komplexen Produkte für sie oft undurchschaubar sind.

Das schreibt der Bamberger Finanzwissenschaftler Andreas Oehler in einem Gutachten, das von der Grünen-Bundestagfraktion in Auftrag gegeben worden war. Die „Berliner Zeitung“ und „Süddeutsche Zeitung“ (Donnerstag) hatten über die Studie berichtet. Demnach erleiden Verbraucher jedes Jahr in der Altersvorsorge und bei Verbraucherfinanzen einen Gesamtschaden von mindestens 50 Milliarden Euro. Dieser Wert sei noch konservativ geschätzt, betonte Oehler. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wies dies zurück.

Allein Kunden, die einen Riester-Vertrag, eine Kapitallebensversicherung oder eine private Rentenversicherung abgeschlossen haben, verlieren dem Gutachten zufolge bis zu 17 Milliarden Euro pro Jahr. Sie seien beim Abschluss nicht ausreichend über Risiken, Ertragsaussichten, Zinssätze und Gebühren informiert worden, kritisiert der Finanzwissenschaftler, der dem Verwaltungsrat der Stiftung Warentest vorsitzt.

Der GDV betonte, dass die Untersuchung auf vielen falschen Annahmen basiere. „Diese Zahlen sind falsch“, sagte der Vorsitzende der GDV-Hauptgeschäftsführung, Jörg von Fürstenwerth. Das Gutachten sei auch keineswegs repräsentativ: „Die Oehler-Studie stützt seine Untersuchung auf gerade einmal 1115 gekündigte Verträge aus den vergangenen zehn Jahren.“ Dabei handele es sich ausschließlich um Beschwerdefälle: „Insgesamt gibt es in Deutschland über 90 Millionen Lebens- und Rentenversicherungsverträge.“

Die angebotenen Riester-Produkte müssten „ähnlich transparent, verständlich, kostengünstig und leistungsstark“ sein wie das staatliche System, fordert Oehler. Schließlich sollten betriebliche und private Altersvorsorge das sinkende Niveau der gesetzlichen Renten ausgleichen. Da dies oft nicht der Fall sei, benötigten Verbraucher für den Abschluss eines guten Vorsorgevertrages mehr Glück als Verstand.

Gerade bei Riester-Produkten komme hinzu, dass die Kosten für die Kunden beim Abschluss oft nicht nachvollziehbar seien. In seiner Studie zitiert Oehler eine Analyse der Stiftung Warentest und der Verbraucherzentrale: „Bei Kosten und Gebühren von Riester-Verträgen langen die Anbieter besonders gern zu.“

Finanzjurist Markus Feck von der Verbraucherzentrale NRW will Riester-Produkte zwar nicht per se verteufeln. Er betonte aber, dass bei fondsgebundenen Versicherungen der Vermittler, die Versicherungsgesellschaft und die Kapitalanlagegesellschaft Geld abzwackten: „Die staatliche Zulage wird aufgefressen.“

Die Deutsche Kreditwirtschaft, die alle drei Säulen des Bankensystems vertritt, widerspricht: „Riester-Verträge gehören nach wie vor zu den zentralen Bausteinen einer sinnvollen finanziellen Altersvorsorge. Der Gesetzgeber hat wie bei kaum einem anderen Finanzprodukt dabei Wert auf Kostentransparenz gelegt.“ Die Institute wiesen die Kunden auf alle wichtigen Vertragspunkte wie Kosten oder Gebühren ausdrücklich hin: „Wichtig ist es aber, seine eigenen finanziellen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen.“

Das meiste Geld wird der Studie zufolge im Bereich des grauen Kapitalmarkts verbrannt, also etwa mit geschlossenen Fonds oder stillen Beteiligungen. Aber auch bei Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen zahlen Kunden oft drauf - weil sie ihre Verträge vorzeitig kündigen. Den allergrößten Teil der Stornierungen führt Experte Oehler auf eine irreführende oder unvollständige Verbraucherberatung bei Vertragsabschluss zurück.

Die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, Nicole Maisch, sagte der „Berliner Zeitung“: „Der deutsche Steuerzahler buttert jährlich Milliarden in die private Altersvorsorge. Das soll die Rentnerinnen und Rentnern reich machen, nicht die Banken und Versicherungsmakler.“ Verantwortlich hierfür sei die Bundesregierung. Maisch forderte, überhöhte Gebühren und Provisionen dürften nicht länger an der Rente der Sparer zehren.