Am Autohimmel kündigen sich dunkle Wolken an

Frankfurt/Main (dpa) - Das glänzende Selbstbewusstsein der Autoindustrie bekommt mitten in den Finanzmarktturbulenzen und Konjunktursorgen erste Kratzer. Daimler dämpfte die Erwartungen für 2012 - das Wachstum in der Autobranche werde sich verlangsamen.

Das sagte Konzern-Chef Dieter Zetsche am Dienstag zum Auftakt der Automesse IAA in Frankfurt. Europas Branchenprimus Volkswagen erwartet steigende Risiken auf dem weltweiten Automarkt. „Als Realisten wissen wir dabei: Die kommenden Monate werden kein Selbstläufer“, sagte VW-Chef Martin Winterkorn.

Dennoch erwarten die meisten Hersteller Zuwächse auch im kommenden Jahr. Herbe Kritik setzte es für die Modellpolitik der deutschen Autobauer. Und beim hierzulande noch jungen Thema Elektromobilität gibt es eine Menge Hausaufgaben zu erledigen.

Gerd Lottsiepen, Autoexperte des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), sagte: „Die Einführung von Zukunftstechnologien wurde in Deutschland völlig verschlafen.“ Die Autohersteller setzten weiterhin auf „Autokonzepte von vorgestern“. Sie verdienten insbesondere mit spritdurstigen Luxuslimousinen Rekordsummen. „Das entspricht dem Gegenteil von zukunftsfähig“, kritisierte er. „Während Toyota und Honda die Hybridisierung bereits bei Kleinwagen einführen, finden wir den Hybridantrieb bei deutschen Herstellern ausschließlich unter den Luxuslimousinen.“

Das Thema Elektromobilität gehört zu den Schwerpunkten der IAA. Daimler will möglichst schnell eine große Zahl von E-Autos auf die Straße bringen. Der Elektro-Smart, der im nächsten Frühjahr auf den Markt kommt, solle schon für knapp 16 000 Euro netto für die Kunden in Deutschland zu haben sein - plus monatlich 60 Euro netto Miete für die Batterie, kündigte Smart-Chefin Annette Winkler an.

Kritiker werfen den deutschen Herstellern vor, dem Zukunftsthema E-Mobilität schlicht hinterherzulaufen. Der Geschäftsführer des Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterie (KLiB), Michael Krausa, sagte: „Wir brauchen mehr Unternehmen, die in der Lage sind, Zellen zu fertigen. Das Produktions-Know-How in Deutschland fehlt.“ Mit Anschubförderung vom Staat plant das Netzwerk eine Pilotanlage für die Batteriefertigung in Ulm - dort sollen sich Firmen ausprobieren können. Start der geplanten Fertigung: erst Anfang 2014.

Im Geschäft mit den herkömmlichen Autos sieht es derweil besser aus. Daimler beispielsweise sieht bisher keine Auswirkungen der konjunkturellen Unsicherheiten auf den Auftragseingang und bekräftigte, im laufenden Jahr 1,35 Millionen Autos verkaufen zu wollen. „Für das nächste Jahr sehe ich eine höhere Wahrscheinlichkeit für ein gedämpftes Wachstum als eine Rezession“, sagte Zetsche.

Anzeichen dafür, dass die Weltwirtschaft erneut in eine tiefe Krise stürzen könnte, beobachtet Zetsche nicht. Er appellierte an die Politiker, das Vertrauen wieder herzustellen. Ein weiterer Vertrauensverlust könnte auch die Realwirtschaft treffen, warnte der Manager. Zetsche bekräftigte, bis 2020 wolle Daimler der führende Oberklasse-Hersteller vor BMW und Audi sein.

Konkurrent BMW sieht sich für eine etwaige neue Krise gut gewappnet. „Wenn das Gleiche wie 2008 noch einmal passieren würde, würde das Unternehmen ohne Verlust durch eine solche Krise durchmarschieren“, sagte Finanzvorstand Friedrich Eichiner im Vorfeld der IAA. „Momentan sehen wir keine Vorboten einer Rezession.“ Gleichwohl erwartet Eichiner, dass sich das Wachstumstempo nach der Aufholjagd in den nächsten Monaten verlangsamt.

Volkswagen-Konzernchef Winterkorn sagte: „Wir achten sehr sensibel darauf, was passiert.“ Europas größter Autobauer rechnet insgesamt aber mit weiterhin steigendem Absatz - auch wenn die Nachfrage in einigen Regionen wie Südeuropa wegen der Euro-Schuldenkrise schwächeln dürfte. Die VW-Tochter Audi kündigte auch für 2012 Wachstum an. „Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich die Schwelle von 1,3 Millionen Einheiten überspringen“, sagte Audi-Chef Rupert Stadler und schob damit die Messlatte von gut 1,2 Millionen noch ein Stück nach oben. „Wir sehen 2012 die Chance, weiter zu wachsen.“

Der mit VW eng verbandelte Sportwagenhersteller Porsche sieht auch noch keine Dellen im Auftragseingang - beobachtet die Lage aber dennoch mit Sorge. „Wir hoffen natürlich, dass sich die Finanzkrise nicht zu einer Wirtschaftskrise ausweitet. Aber wie wir wissen, kann das sehr schnell gehen“, sagte Porsche-Chef Matthias Müller.

Ford-Europe-Chef Stephen Odell kündigte an: „Wir fühlen uns mit unseren Prognosen für 2011 weiterhin wohl. Aber das zweite Halbjahr wird schwächer als das erste.“ Opel hält an seinen Absatz- und Gewinnzielen fest. „Wir haben nach wie vor das Ziel, in diesem Jahr 1,3 Millionen Autos zu verkaufen und im nächsten Jahr 100 000 mehr“, sagte Karl-Friedrich Stracke, Vorstandsvorsitzender der Adam Opel AG.

Einige deutsche Autozulieferer rechnen mit einer Abkühlung. Die konjunkturelle Dynamik habe ihren Höhepunkt überschritten, sagte der Chef des weltgrößten Autozulieferers Bosch, Franz Fehrenbach. „Das ist aber noch kein Abbrechen der Konjunktur, schon gar nicht Anlass für panische Bremsaktionen - jedoch zur erhöhten Wachsamkeit.“