Arbeitsmarktpolitik-Streit überschattet Job-Boom
Nürnberg/Berlin (dpa) - Der Streit über die Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik hat am Dienstag die guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt überschattet.
Während die Bundesagentur für Arbeit (BA) für Mai einen Rückgang der Arbeitslosenzahl unter die Drei-Millionen-Marke meldete, beklagten Sozialverbände und Gewerkschafter die immer schwierigere Lage von Langzeitarbeitslosen. Die „Arbeitsmarktpolitik mit der Abrissbirne“ benachteilige mindestens 400 000 schwer vermittelbare Jobsucher, beklagte der Paritätische Wohlfahrtsverband. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies die Vorwürfe zurück.
Im Mai war die Zahl der Arbeitslosen um 118 000 auf 2,96 Millionen gesunken. Der Rückgang fiel damit deutlich geringer aus als im Schnitt der vergangenen drei Jahre. Auch nach Abzug jahreszeitlicher Effekte war das Minus mit 8000 überraschend gering. Dennoch ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt nach BA-Einschätzung noch immer ungleich besser als im Vorjahr: Damals hatten die deutschen Arbeitsagenturen und Jobcenter noch 276 000 mehr Menschen ohne festen Job registriert. Die Arbeitslosenquote lag im Mai bei 7,0 Prozent, nach 7,3 Prozent im April und 7,7 Prozent im Vorjahr.
BA-Chef Frank-Jürgen Weise geht davon aus, dass die Arbeitslosigkeit bis zum Jahresende unter der Drei-Millionen-Marke bleibt. Allenfalls ein früher Wintereinbruch könnte Deutschland im Dezember wieder mehr als drei Millionen Jobsucher bescheren. Für Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) präsentiert sich der deutsche Arbeitsmarkt „topfit“. Die Entwicklung sei nachhaltig und solide, sagte die Ministerin in Berlin. Der neue Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sieht in der Entwicklung am Arbeitsmarkt einen „Beleg dafür, dass der Aufschwung die Bürgerinnen und Bürger erreicht“.
Daran zweifelt allerdings der Paritätische Wohlfahrtsverband. Nach seiner Ansicht besiegelt die Bundesregierung mit den geplanten Kürzungen „den schleichenden Tod der öffentlich geförderten Beschäftigung“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider in Berlin. Er forderte, die „blinde Sparwut“ zu stoppen und auf die Kürzungen in Milliardenhöhe zu verzichten. Schneider kritisierte, bereits im laufenden Jahr sei das Budget für Eingliederungsleistungen für Hartz-IV-Empfänger um ein Viertel auf 4,6 Milliarden Euro zusammengestrichen worden.
Im Kampf um einen Abbau der Arbeitslosigkeit sieht Bundesagentur-Vorstandsmitglied Heinrich Alt derweil das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. „Da ist noch eine Menge möglich.“ So gebe es weiterhin erhebliche regionale Ungleichgewichte, die man versuchen müsse auszugleichen. Einige Arbeitsamtsbezirke hätten eine Arbeitslosenquote von drei Prozent, andere von bis zu zehn Prozent, sagte Alt.
Keine nennenswerte Konkurrenz für Arbeitslose stellen nach dem Beginn der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit am 1. Mai bislang osteuropäische Arbeitskräfte dar. Der von manchen befürchtete Ansturm sei ausgeblieben, sagte BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker. „Wir spüren bislang keine messbaren Folgen.“ Auch Umfragen bei grenznahen Arbeitsagenturen hätten gezeigt, dass es keinen großen Zustrom osteuropäischer Jobsucher gebe. „Es tröpfelt lediglich ein bisschen“, sagte Becker. Als Barriere hätten sich in vielen Fällen fehlende Deutschkenntnisse erwiesen.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen auch in den kommenden Monaten unter der Drei-Millionen-Marke bleibt. „Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist sehr erfreulich. Die Unternehmen nutzen den anhaltenden Aufschwung und schaffen neue Stellen“, sagte Hundt in Berlin. Der konjunkturelle Boom müsse nun „für eine echte Haushaltskonsolidierung genutzt werden“. Dagegen warnte der DGB vor einer Spaltung des Arbeitsmarktes. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit dürfe „nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere Ältere, Geringqualifizierte und Schwerbehinderte auf der Strecke bleiben“.