Zeitung: Libyen wollte bei Goldman Sachs einsteigen

New York (dpa) - Sollte die Geschichte stimmen, die das renommierte „Wall Street Journal“ ausgegraben hat, dann wäre der inzwischen geächtete libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2009 um ein Haar groß bei der US-Investmentbank Goldman Sachs eingestiegen.

Die Zeitung erzählte am Dienstag von einem missglückten libyschen Milliardengeschäft, tobenden Gaddafi-Getreuen und eingeschüchterten Goldman-Bankern. Es dürfte sich um eine der „seltsamsten Fußnoten der weltweiten Finanzkrise“ handeln, schrieb das Blatt, das sich auf annähernd ein Dutzend Zeugen sowie auf firmeninterne Dokumente beruft.

Die ganze Geschichte nahm laut der Zeitung ihren Ausgangspunkt in einem 1,3 Milliarden Dollar schweren Investment des libyschen Staatsfonds, in den die Öl-Milliarden des Landes fließen. Goldman habe das Geld gewinnbringend anlegen sollen. Der mit dem Geschäft betraute Banker sei im Juli 2007 aufs Wärmste in Tripolis empfangen worden. „Er war wie ein Rockstar, während wir Kleinkram gemacht haben“, zitierte das Blatt einen früheren Manager des Staatsfonds. „Wir fühlten uns durch seine Anwesenheit geehrt.“

Goldman legte das libysche Geld laut der Zeitung in Aktien- und Währungsoptionen an, darunter auch in Papiere des deutschen Versicherers Allianz. Dann aber sei im Jahr 2008 die Finanzkrise hereingebrochen und das investierte Milliardenvermögen sei fast komplett verloren gegangen.

Ein Topmanager des libyschen Staatsfonds hätte sich „wie ein wütender Stier“ gebärdet und die beiden Goldman-Banker in Tripolis, die ihn beruhigen sollten, hätten sich hilfesuchend an die New Yorker Zentrale gewandt. Die hätte den Mitarbeitern einen Sicherheitsmann zur Seite gestellt, bis sie am nächsten Tag das Land verlassen hätten.

Um die Wogen im Nachhinein zu glätten, hätte Goldman Sachs den Libyern mehrere Angebote für weitere Investments gemacht, schreibt das „Wall Street Journal“. In die Entscheidungen seien auch Bankchef Lloyd Blankfein und Finanzchef David Viniar eingebunden gewesen.

Einer der Vorschläge sei gewesen, dass der libysche Staatsfonds 3,7 Milliarden Dollar in Goldman Sachs investiert - damit wäre das Gaddafi-Land zu einem der größten Anteilseigner des Wall-Street-Hauses aufgestiegen. Den Libyern sei das Investment aber zu riskant gewesen, schließlich sei mit Lehman Brothers schon einmal eine Investmentbank umgekippt.

Das letzte Gespräch, das das „Wall Street Journal“ auflistet, fand demnach im Juni 2010 statt. Beide Seiten hätten die Sache letztlich aber auf sich beruhen lassen. Seit März 2011 bombardieren nun Nato-Kampfflugzeuge die Truppen Gaddafis; die internationalen Vermögen des libyschen Regimes sind eingefroren.

Eine Sprecherin von Goldman Sachs wollte sich nicht zur Geschichte des „Wall Street Journal“ äußern. Die Bank hat die Krise schon längst hinter sich gelassen. An der New Yorker Börse legten die Goldman-Papiere im frühen Handel um mehr als 1 Prozent zu.