Atomkonzerne kämpfen für Milliarden-Entschädigung

Karlsruhe (dpa) - Die großen Energiekonzerne Eon, RWE und Vattenfall haben vor dem Bundesverfassungsgericht ihre Forderung nach Schadensersatz in Milliardenhöhe für den deutschen Atomausstieg untermauert.

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Die Lasten dieser politischen Entscheidung müssten solidarisch von der gesamten Gesellschaft getragen werden, forderte Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen zum Auftakt der zweitägigen Verhandlung. „Es geht am Ende um eine faire Entschädigung.“

Deutschlands größte Energieunternehmen Eon und RWE sowie der schwedische Staatskonzern Vattenfall sehen sich durch die Kehrtwende der Bundesregierung in der Atompolitik 2011 faktisch enteignet. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks verteidigte dagegen den beschleunigten Atomausstieg. „Gerade auch vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen kontroversen gesellschaftlichen Diskussionen konnte es ein „Weiter so“ nicht geben“, sagte die SPD-Politikerin.

Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung eine erst im Vorjahr beschlossene Laufzeitverlängerung rückgängig gemacht. Im Atomgesetz schrieben Union und FDP mit Zustimmung der SPD und der Grünen den Konzernen vor, zu welchen Terminen bis spätestens 2022 sie ihre 17 Meiler vom Netz nehmen müssen. Acht überwiegend ältere Meiler durften überhaupt nicht mehr hochgefahren werden.

Der Vorstandschef der RWE Power AG, Matthias Hartung, betonte, dass der Gesetzgeber natürlich eine Neubewertung der Atomkraft vornehmen könne. Er müsse sich dabei aber im Rahmen des Grundgesetzes bewegen.

Am ersten Verhandlungstag wurde unter anderem diskutiert, ob Vattenfall als schwedisches Staatsunternehmen in Deutschland überhaupt Grundrechtsschutz in Anspruch nehmen kann. Der deutsche Energiekonzern EnBW, der sich ebenfalls fast komplett in öffentlicher Hand befindet, ist an dem Verfahren nicht beteiligt, teilt aber die Rechtsauffassung der drei klagenden Unternehmen. EnBW-Vorstandsmitglied Bernhard Beck bat darum, dass eine Entscheidung auch für sein Unternehmen gelten solle.

Sollte der erste Senat unter Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof den Unternehmen Recht geben, könnten sie im zweiten Schritt auf Schadensersatz klagen. Allerdings verhandeln die Konzerne derzeit mit der Bundesregierung über die Verteilung der gewaltigen Kosten und Risiken beim Abriss der Kraftwerke und der Lagerung des Atommülls. Nach Expertenschätzung geht es um mindestens 48,8 Milliarden Euro. Für ein Entgegenkommen verlangt Berlin die Rücknahme aller Klagen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es zu einer außergerichtlichen Einigung kommt. Bis zu einem Urteil dürften Monate vergehen. (Az. 1 BvR 2821/11, 1 BvR 321/12 und 1 BvR 1456/12)

Die Richter haben zu klären, ob die Kürzung der Reststrommengen und das Erlöschen der Betriebsgenehmigungen die Konzerne in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt. Je nach Charakter des Eingriffs leitet sich daraus nicht unbedingt eine Entschädigungspflicht ab. Der Senat prüft auch den Vorwurf der Versorger, dass die Abschalttermine rein zufällig festgelegt worden seien.

Gegen den Atomausstieg laufen bundesweit um die zwei Dutzend weitere Klagen, die sich gegen das Moratorium unmittelbar nach dem GAU in Fukushima richten. Damit wurden die vorwiegend älteren Blöcke zur „Gefahrenabwehr“ zunächst für drei Monate stillgelegt. Vattenfall klagt außerdem vor einem Schiedsgericht in den USA auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz. Dort soll im Herbst 2016 verhandelt werden.

Im Kraftwerk Fukushima war es nach einem Erdbeben und einem Tsunami am 11. März 2011 zu Kernschmelzen gekommen. Insgesamt forderte die Naturkatastrophe fast 19 000 Todesopfer. Vor dem Gericht in Karlsruhe demonstrierten Aktivisten für ein sofortiges Aus der Atomkraft.