Verbraucherschutz Ausbau einer neuen Fleisch-Kennzeichnung gefordert
Berlin (dpa) - Die Verbraucherzentralen fordern einen schrittweisen Ausbau einer staatlichen Kennzeichnung für Fleisch aus besserer Tierhaltung.
Es sei richtig, dies „erst freiwillig und dann verbindlich“ anzugehen, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Die künftige Bundesregierung solle vorhandene Pläne für ein Tierwohl-Label zu einer Haltungskennzeichnung weiterentwickeln. Der Bauernverband verlangt, dabei nicht an einem bereits geltenden System von Landwirtschaft und Handel zu rütteln.
Eine Tierwohl-Kennzeichnung für Fleisch im Supermarkt dürfte in möglichen Koalitionsgesprächen von Union und SPD zu einem Thema werden - sie steht in beiden Wahlprogrammen. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hatte Kriterien für ein staatliches Label vorgestellt, es bis zur Bundestagswahl aber nicht mehr umgesetzt. Landwirte, die sich für eine freiwillige Teilnahme interessieren, sollen demnach etwa mehr Platz für Schweine im Stall bereitstellen.
Verbraucherschützer Müller sagte, es gebe schon viele Auszeichnungen. Das Vertrauen in die teils auch von Werbung durchsetzten Logos sei aber gering. „Wir haben ein klassisches Marktversagen.“ Minister Schmidt sei mit seinen Plänen „viel zu spät gestartet“.
In einen neuen Anlauf solle man „mit ein bisschen Geduld reingehen“, sagte Müller. Wenn die künftige Regierung sich etwa darauf festlege, dass ein System „vielleicht alle zwei Jahre etwas tierschutzgerechter wird, dann wüssten alle, woran sie sind“. Ziel könne sein, wie bereits bei Eiern generell die Form der Tierhaltung anzugeben. „Wenn das verbindlich geschehen soll, brauchen wir noch eine Klärung auf europäischer Ebene“, erläuterte Müller.
Der Bauernverband sieht die von der Branche getragene „Initiative Tierwohl“ für die nächsten drei Jahre weiterhin als Basis. „Das dürfen wir nicht gefährden, weil das die einzige Initiative ist, die bis dato erfolgreich ist“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn wir darüber hinaus über ein staatliches Label beziehungsweise eine Kennzeichnung der Haltungsform diskutieren wollen, sind wir offen und gesprächsbereit - auch, um Dinge zu verzahnen.“ Dies hänge vom Inhalt und der Ausgestaltung ab.
Bei der 2015 gestarteten Branchen-Initiative erhalten freiwillig teilnehmende Bauern für Zusatzleistungen wie mehr Platz im Stall Geld aus einem Fonds, in den Supermarkt-Ketten einzahlen. Das Budget soll für die Jahre 2018 bis 2020 von bisher 85 Millionen auf 130 Millionen Euro jährlich erhöht werden. Laut dem Bauernverband nehmen künftig 4157 Betriebe mit mehr als 26 Millionen Schweinen teil. Dadurch würden 23 Prozent aller Schweine in höheren Tierwohlstandards leben.
Der neue Präsident des Landvolks Niedersachsen, Albert Schulte to Brinke, nahm die „Initiative Tierwohl“ vor Kritik in Schutz. Während andere Anläufe im Sande verlaufen seien - etwa das Tierschutzlabel des Tierschutzbundes -, sei die „Initiative Tierwohl“ ein Erfolgsmodell. In diesem Jahr seien 23 Prozent der Schweine in Deutschland in dem System. „Das hat es vorher mit keinem Label gegeben“, sagte Schulte to Brinke in Bad Iburg der Deutschen Presse-Agentur. Die Initiative müsse sich nun weiterentwickeln.
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz bemängelte etwa, dass sowohl die „Initiative Tierwohl“ als auch ein staatliches Label Freiwillige ansprächen, die ohnehin offen für diese Anliegen seien. „Die 10 bis 20 Prozent der Tierhalter mit den größten Problemen fallen dabei unten durch“, sagte Thomas Blaha, früherer Professor an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Es reiche nicht, die guten Betriebe in einem Label zu haben. Daneben könnten lokale und regionale Programme aufgelegt werden, um Höfen bei der Verbesserung der Tiergesundheit zu helfen.
Vzbv-Chef Müller nannte es legitim, wenn der Handel für ein einfaches System eintrete. Herstellungsbetriebe seien aber in der Lage, höhere Standards auch rückverfolgbar für das einzelne Tier zu kennzeichnen. „Dann weiß ich, es ist vielleicht nicht Bio-Qualität. Aber es ist im Rahmen der konventionellen Fleischproduktion so, dass es diesem Schwein, Rind oder Huhn besser gegangen ist als vielen Artgenossen.“ Dafür zahlten viele Kunden dann auch etwas mehr.