Barclays-Aufsichtsratschef Marcus Agius tritt zurück

London (dpa) - Nach der Rekordstrafe wegen versuchter Zinsmanipulationen in Großbritannien hat der erste Topbanker bei Barclays seinen Hut genommen. Aufsichtsratschef Marcus Agius trat am Montag zurück.

Die Großbank Barclays hatte nach eigenem Eingeständnis versucht, die Zinsen im Interbanken-Verkehr zu manipulieren. Deshalb muss die Bank an die Finanzaufsichtsbehörden in den USA und Großbritannien sowie an das US-Justizministerium eine Rekordstrafe von 290 Millionen Pfund (rund 345 Mio Euro) zahlen.

Der Skandal hat in Großbritannien erneut Rufe nach grundlegenden Reformen im Bankensektor laut werden lassen. Der britische Premierminister David Cameron kündigte eine erneute Untersuchung der Praktiken im Bankensektors an, an der beide Kammern des Parlaments beteiligt sein sollen. Die Mitglieder sollten vollen Zugang zu allen Unterlagen bekommen, Zeugen sollten unter Eid aussagen. Es soll bereits in den kommenden Tagen losgehen.

„Wir wollen sicherstellen, dass so etwas nie wieder passiert“, sagte Cameron. Großbritannien solle die „härtesten und durchsichtigsten Regeln aller Finanzplätze“ haben. Banker, die sich falsch verhalten hätten, sollten zur Verantwortung gezogen werden.

Die britische Ermittlungsbehörde prüft derweil, ob der aktuelle Fall auch strafrechtliche Folgen haben könnte. Das soll in spätestens einem Monat feststellen.

Agius erklärte, es tue ihm aufrichtig leid, dass Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre im neuesten Skandal „im Stich gelassen“ worden seien. Barclays werde die Vorfälle intern untersuchen und einen neuen Verhaltenskodex entwickeln. Agius, der als einer der führenden Köpfe in der Londoner Finanzszene gilt, trat am Montag zudem von seinem Posten als Aufsichtsratschef bei der britischen Bankenvereinigung Bankers' Association (BBA) zurück.

„Die Ereignisse der letzten Woche haben inakzeptable Verhaltensstandards innerhalb der Bank offengelegt und Barclays Ruf einen schweren Schlag gegeben“, erklärte Agius. Nach Bekanntwerden des Skandals hatten Politiker und Bankenexperten den Rücktritt von Barclays-Chef Bob Diamond gefordert.

Dieser erklärte am Montag, Agius' Entscheidung verdiene „unser aller Respekt“. Er hieß die Untersuchung der Geschäftspraktiken bei Barclays willkommen: „Ich werde sicherstellen, dass die Empfehlungen dieser Untersuchung umgesetzt werden - als Teil eines weitreichenderen Programmes zum Aufbau einer Kultur, auf die alle, die Anteil an Barclays haben, stolz sein können.“ In einem Brief an die Mitarbeiter schrieb er, er sei enttäuscht, dass sich die Vorfälle unter seinen Augen abgespielt hätten.

Als möglicher Nachfolger von Agius wurde am Montag Mike Rake vom Konzern British Telecom (BT) gehandelt, der zunächst zum stellvertretenden Barclays-Aufsichtsratschef bestellt wurde.

Der Skandal könnte sich ausweiten, denn neben Barclays stehen weitere Banken in den USA und Europa unter Verdacht. Die Behörden hatten sowohl beim europäischen Zinssatz Euribor als auch beim Londoner Libor - den Zinssätzen, zu denen sich Banken untereinander Geld leihen - in den Jahren zwischen etwa 2005 und 2008 Unregelmäßigkeiten entdeckt. Der Satz beeinflusst auch Geschäfte im Derivatehandel, bei denen Billionen bewegt werden. Am Montag kam außerdem die Frage auf, ob die Bank of England verwickelt sein könnte.

Neben der Barclays-internen und der von Cameron angekündigten, größeren Untersuchung gibt es derzeit noch eine dritte: Der für Finanzangelegenheiten zuständige Ausschuss des britischen Parlaments hat für Mittwoch Barclays-Chef Diamond vorgeladen. Am Donnerstag soll Agius erscheinen. Die Prüfung wird deutlich kleiner ausfallen als die von der Regierung initiierte Untersuchung.

Labour-Chef Ed Miliband allerdings forderte mehr - und zwar eine großangelegte, unabhängige Untersuchung des Bankensektors nach dem Vorbild der sogenannten Leveson-Untersuchung, bei der derzeit die Presseethik des Landes auf dem Prüfstand steht. Die von Cameron angekündigten Schritte seien nicht genug. Die Menschen wollten eine von Bankern und Politikern unabhängige Prüfung. Cameron verteidigte seine Entscheidung und sagte, die von ihm eingesetzte Kommission könne deutlich schneller anfangen und handeln, als eine im Stil der Leveson-Untersuchung.

Nick Clegg, Vorsitzender der Liberaldemokraten, die zusammen mit Camerons Tories die Regierung bilden, betonte, es habe in den vergangenen Jahren bereits viele Untersuchungen des Bankensektors gegeben. Derzeit setze man deren Verbesserungsvorschläge um. Gegen eine weitere habe er aber nichts einzuwenden.

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