Bauernverband mit neuem Präsidenten Rukwied
Fürstenfeldbruck (dpa) - Die deutschen Bauern setzen sich unter neuer Führung vehement gegen den Verlust von bäuerlichem Grund und Boden zur Wehr.
Der Bauerntag in Fürstenfeldbruck verlangte am Mittwoch von der Regierung gesetzliche Maßnahmen gegen den „Flächenfraß“ durch Baumaßnahmen. Angesichts der Herausforderungen bei der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung und bei der Energiewende sei es auch unzeitgemäß, Flächen für den Naturschutz stillzulegen, wie es die EU bei der Agrarreform plant.
„Wir brauchen zukünftig jeden Hektar landwirtschaftlicher Fläche“, sagte der neu gewählte Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. „Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren.“ Sein Vorgänger Gerd Sonnleitner warf der Politik Tatenlosigkeit vor. „Offen gestanden, ich bin nicht zufrieden, ja mich packt der heilige Zorn, wenn ich sehe, wie wenig in dieser Frage wirklich passiert.“
Bei der Neuwahl hatten 95,4 Prozent der rund 570 Delegierten für Rukwied als einzigen Kandidaten gestimmt. „Ich freue mich sehr über dieses gute Ergebnis. Es ist eine hohe Verantwortung, die Sie mir da übertragen haben“, sagte Rukwied. Er ist seit 2006 Bauernpräsident in Baden-Württemberg und baut auf seinem Hof bei Heilbronn Getreide, Zuckerrüben, Raps, Mais und Kohl an, zudem hat er Weinberge.
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) gratulierte Rukwied. „Er ist wie Gerd Sonnleitner auch ein Mann der klaren Worte.“ Aigner sagte den Bauern in ihrem Kampf gegen den Verlust von Anbaufläche Unterstützung zu. „Wenn wir produzieren wollen, brauchen wir auch die Flächen.“ Bei der Energiewende gehe es um „ordentliche Entschädigung“, wenn Stromtrassen über Äcker und Wiesen gehen. Rukwied sagte dazu, die Bauern dürften hier nicht abgespeist werden, schließlich sei die Strombranche renditeträchtig.
Ein grundlegender Richtungswechsel ist mit Rukwied nicht zu erwarten. Die Orientierung am Markt steht für ihn weit oben. Für Lebensmittel müsse ein angemessener Preis bezahlt werden. Er will mehr Transparenz schaffen. „Um Themen wie Twittern und Bloggen werden wir uns kümmern“, kündigte er an. „Wir werden gerade in den Ballungsgebieten noch mehr Höfe und noch mehr Ställe öffnen.“ Für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen sieht er schlicht keinen Markt. Die Verbraucher wollten das nicht. Damit sei es für Bauern auch kein Thema. Den Öko-Landbau gezielt zu fördern, der weiter zu wenig für den heimischen Markt produziert, lehnt er ab. „Ich halte nichts davon, wenn der Staat in Märkte eingreift.“
Korrekturen verlangen die Bauern bei der Förderung erneuerbarer Energien. Die „Überförderung“ großer Biogasanlagen müsse abgebaut werden, um die Balance zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion zu wahren. Solaranlagen entlang von Autobahnen sollten nicht mehr gefördert werden. „Es bedrückt mich schon, dass ich auf der Herfahrt nach Fürstenfeldbruck durch einen Photovoltaik-Korridor fahre. Da müssen wir umdenken“, sagte Rukwied.
Bei Baumaßnahmen solle gesetzlich verankert werden, dass Kommunen erst ihren Innenbereich nutzen, ehe im Außenbereich gebaut wird. Ein Verkauf land- und forstwirtschaftlicher Flächen als Öko-Ausgleichsflächen müsse ausgeschlossen werden. Dass Bauern mit neuen Ställen und Biogasanlagen selbst auch Boden zubauen, rechtfertigt Rukwied: „Landwirtschaft muss sich weiterentwickeln.“ Er verlange nicht null Flächenverbrauch, sondern eine Reduzierung. „Natürlich sind wir selber auch ein Teil des Flächenverbrauchs, aber ein marginaler Teil.“ Naturschützer schätzen, dass zehn Prozent der Versiegelung auf das Konto der Landwirtschaft gehen.
Rukwied ist nach Andreas Hermes, Edmund Rehwinkel, Constantin Freiherr Heereman und Sonnleitner der fünfte Präsident des Deutschen Bauernverbandes seit 1948. Als Vizepräsidenten wurden mit großer Mehrheit von durchweg über 80 Prozent der brandenburgische Landesbauernpräsident Udo Folgart, Werner Hilse (Präsident Landvolk Niedersachsen - Landesbauernverband), Norbert Schindler (Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd) und Werner Schwarz (Präsident Bauernverband Schleswig-Holstein) gewählt.
Sonnleitner bleibt bis 2013 Präsident des europäischen Bauernverbandes COPA. Der 63-Jährige will aber vor allem wieder auf seinem Hof im niederbayerischen Ruhstorf Bauer sein. Angesichts der schwierigen Zukunftsaufgaben und Kritik von außen schwor er die Bauern auf Einigkeit ein. „Seid einig, seid stolz, seid weiterhin Bauern mit Herz und mit Verstand!“