Bayer spaltet Kunststoffsparte ab
Leverkusen/Krefeld. Der Pharma- und Chemieriese Bayer steht vor einem der größten Umbrüche in seiner Geschichte: Nach der traditionsreichen Chemie vor zehn Jahren plant der Vorstand nun auch die Abspaltung der Kunststoffsparte sowie deren Börsengang.
Künftig wolle sich das Unternehmen ganz auf das Pharmageschäft und die Agrarchemie konzentrieren, teilte das Unternehmen in Leverkusen mit. "Unsere Absicht ist es, zwei globale Top-Unternehmen zu schaffen", so Vorstandschef Marijn Dekkers.
Die Industriesparte, die bei den Leverkusenern unter dem Namen MaterialScience (BMS) geführt wird, soll als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht werden. Der Aufsichtsrat stimmte den Plänen des Vorstands am Nachmittag einstimmig zu. Auch die Vertreter der Arbeitnehmer, die die Abkehr von der "Drei-Säulen-Strategie" kritisierten, trugen die Entscheidung gegen Zugeständnisse bei der Beschäftigungssicherung mit.
Mit dem Management einigten sich die Arbeitnehmervertreter auf den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen sowohl für Bayer wie auch für BMS bis Ende 2020. Die Trennung von MaterialScience sei eine "tiefgreifender Einschnitt", erklärte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Thomas de Win. Mit der Vereinbarung sei es aber gelungen, eine gute Basis für die Zukunftssicherung der Arbeitsplätze in beiden Gesellschaften zu schaffen.
Eine Herauslösung der Sparte aus dem Konzern mittels Börsengang oder eines Verkaufs hatte Konzernchef Dekkers in den vergangenen Jahren zwar nie ausgeschlossen, aber die Notwendigkeit zunächst nicht gesehen. Der Teilkonzern, der auch einen neuen Namen bekommen soll, ist Dekkers zufolge der viertgrößte Anbietern in Europa hinter BASF, LyondellBasell und Evonik. Das Unternehmen produziert unter anderem Vorprodukte für harte und weiche Schaumstoffe, Rohstoffe für Lacke und Klebstoffe sowie Kunststoffgranulate. Anwendung finden diese Produkte unter anderem in der Bauindustrie sowie in der Auto- und Elektronikbranche.
Im vergangenen Jahr hatte die Bayer-Tochter einen Umsatz von 11,2 Milliarden Euro und ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 435 Millionen Euro erzielt. Das neue Unternehmen soll weltweit rund 16 800 Menschen beschäftigen, darunter etwa 6500 in Deutschland. "MaterialScience ist sehr gut aufgestellt und verfügt heute über wettbewerbsfähige, moderne Großanlagen", erläuterte Dekkers. Insgesamt hatte Bayer zuletzt mehr als 113 000 Beschäftigte.
Die Pläne von Bayer Material Science wird auch den Uerdinger Chemiepark als starken Kunststoff-Standort des Unternehmens treffen. Zu Auswirkungen dort könne man aber noch nichts sagen, so ein Sprecher. Am Donnerstag hatte BMS noch verkündet, man werde in Uerdingen mit einer 738.000 Euro schweren Unterstützung des Bundesumweltministeriums investieren, um Salz aus Prozessabwässern zu gewinnen. Dort arbeiten bei BMS rund 1000 Beschäftigte.
Die Nachricht vom Rückzug aus dem Kunststoffgeschäft ließ den Kurs der Bayer-Aktie kräftig steigen. Das Papier kletterte bis zum Nachmittag um rund 5 Prozent auf mehr als 111 Euro je Aktie und erreichte damit einen Höchststand.
Innerhalb der kommenden 12 bis 18 Monate solle BMS als separate Aktiengesellschaft an die Börse gebracht werden, hieß es weiter. Nähere Details wurden nicht genannt. Dekkers schloss nicht aus, mögliche Verkaufsangebote zu prüfen. Klares Ziel sei es aber, BMS allein in die Selbstständigkeit zu bringen, ergänzte Finanzvorstand Werner Baumann, der ab Oktober für Strategie im Bayer-Vorstand zuständig sein wird. Erlöse aus dem Börsengang sollen in die Tilgung von Schulden und als Investitionen in die Gesundheit- und Agrargeschäfte fließen.