Das Prozessrisiko Bayers Glyphosat-Problem - Bange Blicke in die USA
Düsseldorf · Der Prozess in San Francisco könnte richtungweisend für Tausende Klagen nach der Monsanto-Übernahme von Bayer sein.
Die Verantwortlichen des Chemieriesen Bayer werden am Montag gespannt auf Nachrichten aus dem fernen San Francisco warten. Dort findet ein vielleicht wegweisender Prozess in Sachen Glyphosat-Klagen statt. Und nur zwei Tage später legt Bayer vor Journalisten aus dem In- und Ausland in Leverkusen seine Jahresbilanz vor. Bayer-Chef Werner Baumann wird dann auch kundtun, wie sich die Zahl der bislang 9300 Klagen von Menschen in den USA weiterentwickelt hat, die sich durch den Unkrautvernichter in ihrer Gesundheit geschädigt fühlen.
Jede Wasserstandsmeldung zu den Klagen hat Einfluss auf den Kurs der Bayer-Aktie. Bei dem Vertrauen in das Unternehmen spielen aber auch andere Aspekte eine Rolle. Daher werden die Journalisten vielleicht auch einen Sechs-Minuten-Film aus dem Hause Bayer gezeigt bekommen: Da geht es um den Inselstaat Sri Lanka, dessen Regierung 2015 Glyphosat verbot, weil man den Verdacht hatte, dass das Mittel Auslöser von Nierenversagen sei. Weil daraufhin das Unkraut üppig gedieh, sei es im Handel mit dem berühmten Ceylon-Tee zu Verlusten von 100 Millionen Euro im Jahr gekommen, heißt es in dem Film. Auch die Mais- und Reisernte brach dramatisch ein. 2018 hob die Regierung den Bann von Glyphosat wieder auf, weil es wissenschaftlich nicht bewiesen sei, dass das Mittel für Gesundheitsschädigungen verantwortlich sei. Nun werde es mindestens fünf Jahre dauern, so die Mahnung am Ende des Films, bis Sri Lankas Landwirtschaft wieder auf dem früheren Stand sei.
Solche wirtschaftlichen Argumente werden vor US-Gerichten nicht verfangen. Hier verweisen die Kläger auf ihre geschädigte Gesundheit. Der am Montag anstehende Prozess könnte dabei eine Signalwirkung haben. Der Fall von Ed Hardeman, der seit Jahrzehnten Glyphosat genutzt hatte und an Lymphdrüsenkrebs erkrankte, gilt als „Bellwether Trial“, als Leithammel-Prozess. In solchen repräsentativen Fällen wird vom Gericht ein Programm gesetzt, welche Dokumente als Beweismittel für weitere Hunderte vergleichbare Verfahren zugelassen werden.
Eine Bewertung macht Bayer besonders zu schaffen
Bayer betont, 800 wissenschaftliche Studien hätten bestätigt, dass Glyphosat keinen Krebs verursache. Doch da ist auch die Einschätzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), einer Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die IARC stufte Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Zwei Worte, die viele in den USA zur Klage ermutigten.
Bayer sagt dazu in einem Argumentationspapier: „Die IARC bewertet ausschließlich die grundsätzlichen Gefahren, die möglicherweise von einer Substanz ausgehen könnten, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Ereignis auch eintritt.“ Zu beachten sei, dass es um Glyphosat-Belastungen am Arbeitsplatz eines Landwirts gehe, nicht etwa um die Aufnahme sehr geringer Mengen durch Nahrungsmittel. Und unter der Zwischenüberschrift „Eingestuft wie heißer Tee“ heißt es in dem Bayer-Papier: Die Einstufung in der Kategorie 2 A als „wahrscheinlich krebserregend“ nehme die IARC auch vor, wenn es um heiße Getränke über 65 Grad Celsius, um rohes Fleisch, um Schichtarbeit oder um den Friseurberuf gehe.
Ob die Bayer-Anwälte mit solcher Argumentation gegenüber einer Jury durchdringen? Entscheidern, die gleichzeitig im Gerichtssaal auf einen gesundheitlich sichtbar angeschlagenen Kläger blicken, dem ja nicht anzusehen ist, was die Ursache seiner Erkrankung ist.