Bewegung bei Lehman-Insolvenz: Erster Prozess
New York/Frankfurt/Karlsruhe (dpa) - In das komplexe Insolvenzverfahren der US-Pleitebank Lehman Brothers kommt Bewegung. Als erste Gläubigerin erreichte die Insolvenzverwaltung der ebenfalls zahlungsunfähigen deutschen Tochter Lehman Brothers Bankhaus AG eine bilaterale Einigung mit der US-Mutter.
Laut Mitteilung wurden Forderungen der deutschen Gläubiger in Höhe von 6,6 Milliarden US-Dollar (4,8 Mrd Euro) anerkannt. Keine unmittelbaren Auswirkungen hat die Einigung für die rund 50 000 Bankkunden, die in Deutschland Lehman-Zertifikate erworben hatten.
Diese Inhaberschuldverschreibungen waren von einer niederländischen Lehman-Tochter ausgegeben worden, die ebenfalls Forderungen an die US-Mutter stellt, sich aber noch nicht geeinigt hat. Bei den Gläubigern der deutschen Bankhaus AG handelte es sich hingegen um institutionelle Anleger, die inzwischen vom Einlagensicherungsfonds der Privatbanken entschädigt worden sind, an den etwaige Zahlungen aus dem US-Verfahren fließen würden.
Dennoch wird die Lehman-Pleite demnächst erstmals auch den Bundesgerichtshof beschäftigen: Im April werden vor dem BGH Klagen von Anlegern verhandelt, die auf Empfehlung ihrer Bankberater Lehman-Zertifikate gekauft hatten. In den beiden Parallelverfahren, die am 12. April vor dem 11. Zivilsenat des BGH verhandelt werden, hatten Anleger auf Rat ihrer Sparkasse jeweils für mehrere tausend Euro Lehman-Zertifikate gekauft. Nun fordern sie von ihrer Sparkasse Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung (Az. XI ZR 85/10 und XI ZR 294/10). In den Vorinstanzen hatten die Kläger Erfolg: Die Sparkasse hätte besser über die Kündigungsbedingungen der Zertifikate aufklären müssen.
Die Einigung zwischen den Insolvenzverwaltern steht unter dem Vorbehalt, dass sich in den USA Verhandlungen mit weiteren, sehr einflussreichen Gläubigern anschließen und der Insolvenzplan zudem von einem Gericht bestätigt werden muss. Auch steht noch nicht fest, zu welchem Anteil die Forderungen der Bankhaus AG später tatsächlich befriedigt werden. Nach US-Medienberichten hatten sie zunächst 25 Milliarden Dollar betragen, wobei viele Doppelforderungen enthalten gewesen sein sollen. Finanzkreise schätzen die Höhe der zuletzt erhobenen Ansprüche auf 5 bis 12 Milliarden Dollar.
Einige Gläubiger, darunter der Hedgefonds Paulson, fühlten sich vom ersten US-Insolvenzkonzept des Verwalters Bryan Marsal übervorteilt und haben bereits einen Gegenentwurf vorgelegt. Seitdem stockt die Abwicklung der Investmentbank, die mit ihrem Zusammenbruch im September 2008 für Schockwellen an den internationalen Finanzmärkten gesorgt hatte.
Alle Probleme zwischen den beiden Unternehmen seien nun gelöst, sagte der deutsche Insolvenzverwalter Michael Frege. Die Vereinbarung werde für das deutsche Insolvenzverfahren ein wichtiger Schritt bei der Abwicklung sein. Das wirtschaftliche Ergebnis sei ein Kompromiss, der die Interessen beider Verfahren angemessen löse. „Diese Vereinbarung ist ein Meilenstein in der Lösung des Lehman-Verfahrens“, erklärte sein US-Kollege Marsal.
Die Lehman Brothers Bankhaus AG in Frankfurt war die zweitgrößte Auslandstochter der zusammengebrochenen US-Investmentbank nach Lehman Brothers International (Europe) in London. Die Briten prozessieren gegen die deutsche Lehman-Tochter um eine runde Dollar-Milliarde. Diese Auseinandersetzung ist mit dem US-Abkommen nicht beendet.
Marsal hofft, dass er über Klagen gegen andere Banken und den Verkauf von übriggebliebenen Besitztümern 61 Milliarden Dollar einsammeln und an die Gläubiger ausschütten kann. Dem stehen geschätzte zulässige Forderungen von 322 Milliarden Dollar gegenüber. Für jeden investierten Dollar dürften die Gläubiger im Schnitt also 19 Cent herausbekommen.