Landwirtschaft Biobauernhöfe entdecken die Region neu

Die Regionalwert AG will die biologische Landwirtschaft im Rheinland wieder stärker regional einbinden. Dafür gibt sie noch bis Montag neue Aktien aus.

Foto: Regionalwert AG

Köln. „Was wir machen, darf man nicht nur ökonomisch betrachten“, sagt Dorle Gothe. „Man muss auch ökologisch und sozial darauf gucken.“ Dann, davon ist der Vorstand der Regionalwert AG Rheinland überzeugt, werde sichtbar, dass eine regional orientierte und biologische Landwirtschaft lohnender sei als eine intensive konventionelle Landwirtschaft mit ihren hohen Folgekosten.

Auf jeden Fall hat es sich die vor einem Jahr gegründete Regionalwert AG auf die Fahnen geschrieben, die Biobauern wieder in der Region zu verankern. Dort kamen sie ursprünglich auch her, aber die Öffnung des Marktes hat auch in der Biolandwirtschaft zu größeren Einheiten und weiten Transportwegen geführt — bis hin zu importierten Biokartoffeln aus Ägypten.

Der Bürgeraktiengesellschaft geht es bei der Unterstützung regionaler Wirtschaftskreisläufe nicht nur um die Biobauernhöfe selbst, sondern auch um den Erhalt oder Wiederaufbau regionaler Verarbeitungsstrukturen. „Wir haben im Rheinland keine einzige Biomolkerei“, sagt Gothe. Auch mobile Schlachtereien zur Vermeidung von Tiertransporten gehören zu den Projektideen.

Das Kapital steuern die Aktionäre bei. Die Gründungs-Kapitalsumme von 460 000 Euro wird derzeit erhöht. Noch bis Montag können weitere Aktien zum Einzelpreis von 600 Euro gezeichnet werden. Knapp 200 Aktionäre haben bis jetzt ein Gesamtkapital von 880 000 Euro zusammengetragen.

Eine Dividende können sie in den ersten fünf Jahren nicht erwarten, danach aber schon. Aus der Landwirtschaft selbst wird die Ausschüttung nicht kommen können, also müssen die Projekte breiter gestreut sein. Auch eine Jungpflanzenaufzucht und eine Käserei sind in Planung. Hauptziel der Regionalwert AG ist es dabei, Anteilseigner der Betriebe zu werden. Diese erhalten damit nötiges Kapital, das von Banken oft nicht mehr zur Verfügung gestellt wird. Im Gegenzug verpflichten sie sich, einander gegenseitig so viele regionale Waren abzunehmen wie möglich und besonders nachhaltig zu wirtschaften.

Ein Betrieb, der sich darauf schon eingelassen hat, ist der Breuner Hof im oberbergischen Lindlar. Petra und Hardy Burgmer (54 und 61) bewirtschaften den heutigen Demeter-Hof in achter Generation: 70 Milchkühe, dazu 50 Kälber in der muttergebundenen Aufzucht. Der Hof arbeitet mit einem mobilen Schlachter zusammen. Weil die Tiere nicht transportiert werden, „gibt es kein Adrenalin und keine Stresshormone im Fleisch“, sagt Petra Burgmer.

Obwohl die Patchworkfamilie sieben Kinder hat, konnte kein Hofnachfolger gefunden werden. Also haben sich die Burgmers entschieden, etwa ein Drittel des Betriebswertes in die Regionalwert AG einzubringen. „Dadurch können wir sicher sein, dass der Hof auch später weiter biodynamisch genutzt und nicht an einen Großbetrieb verkauft wird.“

Zweiter Vorteil aus ihrer Sicht: „Für junge Leute, die kein Geld haben, einen ganzen Hof zu kaufen, besteht so die Möglichkeit, hier in die biologische Landwirtschaft einzusteigen.“ Wie genau das laufen könnte, wenn die beiden in Rente gehen, ist noch nicht ausgetüftelt. „Aber der Nachfolger könnte sich zum Beispiel in unsere KG einbringen und uns damit ein Stück weit auszahlen.“

Die Regionalwert AG funktioniert dabei als eine Art Oberaufsicht und trägt zugleich das Risiko mit. „Landwirtschaft ist extrem witterungsabhängig. Und wenn ein Betrieb in einem Jahr Verluste macht, muss er bei uns im Gegensatz zur Bank keinen Kredit bedienen“, sagt Vorstand Gothe. Im Herbst sollen die ersten Projekte Realität werden.

Aber auch wer keinen Kapitalbedarf hat, kann von der Regionalwert AG profitieren. Als Mitglied des Wertschöpfungsverbundes verpflichtet er sich, die Nachhaltigkeitskriterien des Netzwerks einzuhalten. Das wird den Lizenzpartnern in einem jährlichen Bericht bescheinigt. Derzeit sind das der Naturkostgroßhändler Bio-Rhein-Maas (Kerken), der Gemüsebau-Betrieb Lammertzhof (Bioland, Kaarst), der Betrieb Haus Bollheim (Demeter, Zülpich) sowie ganz neu auch der Betrieb Westerwälder Landschwein (Bioland, Pracht).

Alle Betriebe pflegen regionale Lieferbeziehungen, unterstützen regionale Marken, setzen sich für Tierwohl und Naturschutz ein und sorgen mit Hoffesten und Führungen für Aufklärung. Die Zeit für solche Lösungen ist reif, glaubt Dorle Gothe: „Regionale Biobetriebe und Verarbeitungsstrukturen können einen Beitrag leisten, das Ungleichgewicht von Hunger und Überfluss im weltweiten Agrarhandel zu mindern.“