Boom auf Bewährung: Noch einmal glänzendes Wachstum
Wiesbaden/Frankfurt (dpa) - Trotz Schulden-Not in der Eurozone kommt die deutsche Wirtschaft noch einmal kräftig auf Touren. Nicht zuletzt, weil die Bundesbürger kräftig konsumieren. Doch die Exportnation Deutschland kann sich nicht völlig von der Krise abkoppeln.
Die Verbraucher gaben der Konjunktur im dritten Quartal einen Schub und ließen das Bruttoinlandsprodukt zum Vorquartal um bereinigte 0,5 Prozent zulegen. In der Eurozone jedoch wächst die Wirtschaft nur noch minimal. Und schon bald dürfte die Krise auch hierzulande ihren Tribut fordern: Laut dem ZEW-Konjunkturbarometer sehen deutsche Finanzexperten die Aussichten so finster wie seit mehr als drei Jahren nicht.
Weil das dritte Quartal stark und das zweite noch besser als bisher errechnet ausfiel, könnte Deutschland laut Volkswirten im Gesamtjahr noch ein Wachstum von 3,0 Prozent schaffen. Auch im Jahresvergleich legte die Wirtschaftsleistung kräftig zu, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie in der ersten Jahreshälfte: Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag um 2,5 Prozent höher als ein Jahr zuvor, plus 3,0 Prozent waren es im Vorquartal.
Die Impulse für das Wachstum kamen zuletzt vor allem aus dem Inland. Die Konsumausgaben stiegen, Unternehmen investierten wieder mehr in Maschinen und Anlagen. Dagegen trug der Außenhandel im dritten Quartal kaum zum Wachstum bei, weil Exporte und Importe in etwa gleich zulegten. Bauinvestitionen gingen nach dem starkem Jahresbeginn wieder etwas zurück.
Zu Konjunkturoptimismus bestehe kein Anlass, „denn die Industrie hat vor allem vom Auftragspolster der vorangegangenen Monate gezehrt“, kommentierte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin), Ferdinand Fichtner. Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) stellt sich für die nächsten Monaten auf eine Verlangsamung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein. Die aktuellen Daten sind für Rösler aber ein Beleg dafür, dass die deutsche Wirtschaft „nach wie vor in guter Verfassung“ ist.
Spätestens 2012 dürfte die Krise die Konjunktur empfindlich bremsen. Schon in diesem Winter wird mit einer milden Rezession gerechnet. Die fünf Wirtschaftsweisen erwarten für Deutschland 2012 nur noch ein Konjunkturplus von 0,9 Prozent nach 3 Prozent im laufenden Jahr.
Die vom ZEW befragten deutschen Finanzexperten beurteilen die Aussichten für die deutsche Konjunktur immer schlechter. Die ZEW-Konjunkturerwartungen sanken um 6,9 Punkte auf minus 55,2 Zähler, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung mitteilte. Der Indikator sank damit bereits den neunten Monat in Folge und stärker als erwartet. Einen noch niedrigeren Stand meldete das ZEW zuletzt im Oktober 2008 - kurz nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehmann.
Die Regierungskrisen in Italien und Griechenland dürften zu dem Rückgang beigetragen haben, so die ZEW-Experten: „Der Welthandel schwächt sich ab und die Schuldenproblematik im Euroraum und in den Vereinigten Staaten legt sich wie Mehltau auf die Konjunktur“, sagte ZEW-Präsident Wolfgang Franz.
Im Euro-Raum wächst die Wirtschaft laut einer neuen Schätzung von Eurostat kaum noch: Im dritten Quartal stieg das BIP im Vergleich zu den drei Vormonaten um 0,2 Prozent. Portugal, das am Tropf internationaler Geldgeber hängt, steckt bereits tief im Abschwung, im dritten Quartal schrumpfte die Wirtschaft um 0,4 Prozent.
Frankreich, das im zweiten Quartal mit minus 0,1 Prozent leicht geschrumpft war, zog jetzt wieder mit 0,4 Prozent an - und vermied damit eine Rezession, die laut vielen Ökonomen bei zwei negativen Quartalen hintereinander stattfindet. Finanzminister François Baroin sprach von einem „Wiederanfahren des Wachstums“. Das Land dürfte die Zielvorgabe seiner Regierung nun wohl schaffen. Klar auf dem Abwärtsland ist die Wirtschaft des kriselnden Euro-Mitglieds Zypern mit minus 0,7 Prozent.