Brüssel: Bei Defizitsünder Frankreich wird kein Auge me
Brüssel/Paris (dpa) - Die EU-Kommission wehrt sich gegen den Vorwurf übertriebener Nachsicht mit Defizitsündern wie Frankreich.
Währungskommissar Pierre Moscovici sagte dem französischen Sender LCP in ungewöhnlich deutlicher Weise, Frankreich müsse im kommenden Jahr wie vereinbart die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent wieder einhalten.
„Es wird für Frankreich keine neue Frist geben“, kündigte der Sozialist an. Paris hatte von der EU bereits zwei Mal Aufschub beim Sparen bekommen und war so drohenden Geldbußen entronnen.
Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte der „Süddeutschen Zeitung“ und sechs weiteren europäischen Blättern (Freitag): „Wenn der Kommissionspräsident (Jean-Claude Juncker) sagt, die Dinge gelten für Frankreich anders, dann beschädigt das wirklich die Glaubwürdigkeit der Kommission als Hüterin des Pakts - und das ist meine Sorge.“
„Es wäre weise, wenn die Kommission ein bisschen mehr auf ihre Glaubwürdigkeit achten würde“, erklärte Dijsselbloem. Es sei richtig, dass die Kommission politische Linien vorgebe. Allerdings dürfe das nicht zu einer Politisierung des gesamten Haushaltsverfahrens führen. Im Fall Spaniens hatte die Kommission zuletzt eine Entscheidung über die Verschärfung des Defizitverfahrens wegen der Ende Juni stattfindenden Parlamentswahlen verschoben.
„Für uns, die Kommission, beruht die Anwendung des Pakts auf Regeln und Beweisen (...)“, sagte Behörden-Chefsprecher Margaritis Schinas. „Die Kommission macht keinen Unterschied zwischen großen und kleinen Ländern.“
Die EU-Behörde hatte Mitte Mai vorgeschlagen, bei den langjährigen Defizitsündern Spanien und Portugal Milde walten zu lassen und ihnen mehr Zeit zum Sparen einzuräumen. Die EU-Finanzminister müssen darüber noch entscheiden, voraussichtlich Mitte des Monats.
Zu möglichen Sanktionen gegen Madrid und Lissabon wegen überhöhter Defizite im vergangenen Jahr will sich die Kommission Anfang Juli äußern. Es wird zur Zeit nicht damit gerechnet, dass die beiden Länder Geldbußen zahlen müssen. In Falle Spaniens könnten das bis zu zwei Milliarden Euro sein.
Laut Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ monieren Rechtsexperten des EU-Ministerrats - dort sind die Mitgliedstaaten vertreten -, dass die Institution der vorgeschlagenen Fristverlängerung für Spanien und Portugal in der vorliegenden Form nicht zustimmen könne. Der Kommissionssprecher sagte, das Dokument sei seiner Behörde nicht bekannt.
Die Auslegung des Stabilitätspakts ist seit langem umstritten. Er schreibt vor, dass die jährliche Neuverschuldung drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf, das Limit bei den staatlichen Schulden insgesamt liegt bei 60 Prozent. In letzter Konsequenz drohen Defizitsündern im Euroraum hohe Geldbußen, die aber in der Praxis noch nie verhängt wurden.