Brüssel-Diktat: Verbraucher sollen Energie sparen

Brüssel (dpa) - .Die EU will Verbraucher zum Energiesparen zwingen - und ausgerechnet die Stromkonzerne sollen die Kunden dazu bringen.

Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen Versorger künftig die Bürger mit Zuschüssen und Know How zum Einbau von Doppelglasfenstern, besseren Heizungen oder Dachisolierung bewegen. Das könnte jedes Jahr 1,5 Prozent Strom und Gas einsparen, sagte EU-Energiekommissar Günther Oettinger bei der Präsentation seiner Verordnung zur Energieeffizienz am Mittwoch in Brüssel: „Die billigste Energie ist die, die man nicht verbraucht.“

Monatliche Rechnungen sowie der Einbau automatischer Zähler für Strom, Gas und Wärme sollen Kunden zudem einen besseren Überblick über ihren Verbrauch geben. Dann schalten sie häufiger mal das Licht aus oder die Heizung ab, lautet das Kalkül in Brüssel. Hersteller sollen zudem sparsamere Geräte von der Klimaanlage bis zum Wäschetrockner auf den Markt bringen. Konkrete nationale Einsparziele schreibt Oettinger vorerst nicht vor, allerdings droht er damit nach einer Überprüfung im Jahr 2014: „Ich halte diese Zwei-Phasen-Strategie für ein faires Angebot“. Nur so könnten die beschlossenen Sparziele erreicht werden.

Aber nicht nur die Verbraucher, auch die Regierungen will Oettinger in die Pflicht nehmen. „Nur wenn alle mitmachen, haben wir eine Chance auf Erfolg“, sagte der deutsche Kommissar. Die Staaten müssen künftig Jahr für Jahr rund drei Prozent der öffentlichen Gebäude wie Schulen, Ämter und Kliniken energetisch sanieren - insbesondere auf die Kommunen kämen damit Milliardenkosten zu.

Aus Deutschland sowie der Industrie kam heftige Kritik. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnte vor falschen Weichenstellungen: „Wir dürfen die Belastungen für private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand nicht aus den Augen verlieren.“ Deutschland müsste nach Schätzung des Bundeswirtschaftsministeriums für die Gebäudesanierung rund 40 Milliarden Euro ausgeben. Die Bundesregierung kann im EU-Ministerrat, der ebenso wie das Europaparlament zustimmen muss, den Vorschlag noch verändern.

Die Kritik hat bereits Wirkung gezeigt. So lässt der Vorschlag eine Hintertür offen: Anstatt Energiekonzerne wie RWE und Eon zu Sparmaßnahmen zu zwingen, können Mitgliedsstaaten auch „andere Energiesparmechanismen“ vorschlagen, zum Beispiel Förderprogramme oder freiwillige Übereinkünfte. „Wir wollen den Mitgliedsstaaten überlassen, wie sie das umsetzen“, sagt Oettinger. Umwelt- und Verbraucherschützern kritisieren diese Lücken.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) forderten die EU-Kommission und die Bundesregierung auf, ambitioniertere Einsparziele auf den Weg zu bringen. „Deutschland muss eine europäische Vorreiterrolle beim Thema Energieeffizienz einnehmen. Sonst drohe die jüngst ausgerufene Energiewende zur Farce zu werden“, schrieben die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung.

Dagegen forderte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), die Maßnahmen müssten nun „intensiv auf ihre Praxistauglichkeit geprüft werden“. Der Dachverband der deutschen Energiewirtschaft BDEW nannte die Vorschläge „sehr ehrgeizig“. Selbst eine Verzehnfachung der heutigen Sanierungsrate der Gebäude würde zur Erreichung der Ziele nicht ausreichen, kritisierte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Hildegard Müller.

Die Kommission will mit Hilfe dieser Pläne das Klimaziel der EU erreichen. Die EU-Länder haben sich vorgenommen, ihren Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent zu senken - doch nach derzeitigem Stand dürften sie gerade mal die Hälfte erreichen.