Bund verkauft ostdeutsche Wohnungen an Hamburger Firma
Berlin (dpa) - Der Bund verkauft rund 11 350 Wohnungen in Ostdeutschland an den Hamburger TAG-Konzern und vereinbart einen weitreichenden Mieterschutz. Das börsennotierte Unternehmen zahlt für die Wohnungen der früheren Treuhandtochter TLG rund 471 Millionen Euro.
Zum Schutz der Mieter sei eine „Sozialcharta“ vereinbart worden, die deutlich über geltende Vorschriften zum Mieterschutz hinausgehe, teilte das Finanzministerium am Montag in Berlin weiter mit. Für die Gewerbeimmobilien der bundeseigenen TLG werde ein Verkauf in den nächsten Wochen angestrebt, hieß es.
Damit hat der Bund - nach der jüngsten Abgabe von Post-Aktien - wieder eine größere Privatisierung umgesetzt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte: „Wir freuen uns, mit der TAG Immobilien AG einen Investor gefunden zu haben, für den die Bestandsbewirtschaftung im Vordergrund steht und der sich zu einer weiterhin soliden Entwicklung der TLG Wohnen verpflichtet hat.“
Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) sprach von einem „vollen Erfolg“ nach einer Auswahl zwischen vielen Interessenten. Der Bund profitiere von einem „ordentlichen Kaufpreis“, die Mieter erhielten einen guten und erfahrenen Vermieter und der Käufer einen guten Bestand.
Nach Angaben des Finanzministeriums sollen alle bestehenden Mietverträge unverändert übernommen werden, Bestandsmieter erhielten fünf Jahre Schutz vor Kündigungen wegen Eigenbedarfs und wegen Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung. Hinzu kämen zehn Jahre Schutz vor Mieterhöhungen wegen Luxussanierung. Ältere und schwerbehinderte Bestandsmieter erhielten lebenslanges Wohnrecht. Mietern und Angehörigen werde im Falle eines Verkaufs einzelner Wohnungen ein Ankaufsrecht eingeräumt, hieß es weiter.
Die Regelungen werden laut Finanzministerium Inhalt bestehender Mietverträge: „Die Mieter erlangen hierdurch einklagbare Rechte gegenüber ihrem Vermieter.“ Zusätzlich habe sich die TAG vertraglich verpflichtet, Instandhaltungen und Investitionen im bisherigen Umfang fortzusetzen. Um die Einhaltung der Sozialcharta zu überwachen, wird der Bund eine Ombudsstelle einrichten.
Die Verhandlungen über den Verkauf der Gewerbeimmobilien befinden sich laut Finanzministerium „in der finalen Phase“. Es werde davon ausgegangen, den Zuschlag für die TLG Immobilien „in den kommenden Wochen erteilen zu können“. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.
Hinter dem seit September im MDax notierten TAG-Konzern stehen auch nationale und internationale Finanzinvestoren. Für die auf Ostdeutschland spezialisierte Ex-Treuhandtochter TLG hatten mehrere Immobilien- und Finanzinvestoren geboten. Auch die Linkspartei hatte sich am Bieterverfahren beteiligt. Der Immobilienkonzern TAG erklärte, der Kaufpreis umfasse auch die Übernahme von Schulden in Höhe von rund 256 Millionen Euro. Nach Abschluss der Akquisition verfüge TAG über rund 69 000 Wohneinheiten.
Die TLG als Gruppe beziehungsweise die TLG Immobilien und TLG Wohnen stehen schon länger auf der Verkaufsliste. Die TLG war 1991 als Treuhand Liegenschaftsgesellschaft gegründet worden, um nicht-betriebsnotwendige Grundstücke von DDR-Betrieben zu vermarkten. Ein erster Anlauf zur Privatisierung war im Herbst 2008 aufgrund der Finanzkrise abgebrochen worden. Das den Angaben zufolge führende Immobilienunternehmen in Ostdeutschland hat seit 2002 durchgängig Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaftet.
Der Bund will die Einnahmen aus dem TLG-Verkauf erst 2013 verbuchen - laut Kampeter voraussichtlich im ersten Quartal. Die TAG will zur Refinanzierung des Barkaufpreisanteils von rund 218 Millionen Euro zunächst bis zu 30 Millionen neue Aktien ausgeben. Kampeter sprach von einer soliden Transaktionssicherheit und der wirtschaftlichsten Vertragsstruktur unter allen Geboten.
Mit der Verbuchung der Erlöse erst 2013 kann der Bund im nächsten Jahr Defizit und Schulden trotz teurer Koalitionsbeschlüsse etwas schneller drücken als ursprünglich geplant. Der Bund hatte kürzlich Privatisierungserlöse von rund 800 Millionen Euro, die für 2012 veranschlagt waren, in den Etat 2013 verlagert.
Die für 2013 erwarteten Privatisierungserlöse - auch aus dem TLG-Verkauf - wurden um etwa 1,1 Milliarden auf nun mehr als 5 Milliarden Euro aufgestockt. Anfang September hatte der Bund 60 Millionen Stück Post-Aktien abgestoßen. Er ist jetzt über die KfW noch zu 25,5 Prozent an der Post AG beteiligt.