Bundesbank: Minizinsen werden zur Gefahr
Frankfurt/Main (dpa) - Die Bundesbank warnt vor Risiken für die Finanzstabilität durch die Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB).
„Je länger niedrige Zinsen andauern, umso mehr bestehen für die Marktteilnehmer Anreize, erhöhte Risiken einzugehen“, sagte Vizepräsidentin Claudia Buch am Mittwoch in Frankfurt bei der Vorlage des Finanzstabilitätsberichts der Deutschen Bundesbank.
Noch sieht die Notenbank aber keine gefährlichen Übertreibungen auf dem deutschen Finanzmarkt. So gebe es bisher bei Wohnimmobilien keine Preisblasen. Das liege auch daran, dass die Preissteigerung nicht auf Pump finanziert werde und Immobilienkredite weiterhin auf moderatem Niveau wüchsen. Derzeit sei das Risiko massiver Kreditausfälle bei einem Verfall der Immobilienpreise gering, sagte Buch.
Für Deutschlands Banken halten sich die negativen Folgen der Niedrigzinsen nach Einschätzung der Bundesbank trotz der chronischen Ertragsschwäche noch in Grenzen. Aber insbesondere für kleinere und mittlere Institute könne „die anhaltende Phase sehr niedriger Zinsen mittel- bis langfristig zu einer ernsten Gefahr werden“, warnte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Insgesamt hätten die Banken in den vergangenen Jahren aber ihre Widerstandsfähigkeit erhöht.
Mit Sorge blickt die Bundesbank auf die Lebensversicherer. Bei ihnen sei die Gefahr groß, dass Erträge künftig nicht mehr ausreichten, um Zinsversprechen einhalten zu können. Noch hätten die Versicherer aber Zeit gegenzusteuern.
Im EZB-Rat wird trotz deutscher Bedenken über eine Ausweitung der Geldflut diskutiert. Europas oberster Währungshüter Mario Draghi scheint entschlossen, die Mini-Inflation mit weiteren Maßnahmen zu bekämpfen. Denn trotz des vielen billigen Geldes ist die Teuerung weiterhin meilenweit vom EZB-Ziel entfernt. Die Notenbank strebt stabile Preise bei Teuerungsraten knapp unter 2,0 Prozent an.
Ein Großteil des aktuell niedrigen Preisniveaus geht zwar auf gesunkene Ölpreise zurück. Dennoch sieht die EZB die Mini-Inflation mit Sorge. „Natürlich beeinflusst die niedrige Inflation die Finanzstabilität“, sagte EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio am Mittwoch in Frankfurt. Unter anderem steige die reale Last des Schuldendienstes - sowohl für Staaten als auch für private Schuldner.
Erwogen wird im EZB-Rat beispielsweise eine Ausweitung des seit März laufenden Billionen-Programms zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Zudem könnte die EZB Geschäftsbanken höhere Strafzinsen für Einlagen bei der Notenbank aufbrummen. Eine Entscheidung wird bei der nächsten EZB-Sitzung am 3. Dezember erwartet.
In ihrem ebenfalls am Mittwoch vorgelegten Finanzstabilitätsbericht räumte die EZB ein, dass die niedrigen Zinsen - gepaart mit einem wachsenden Schattenbankensektor - Europas Banken zu einer weiteren Anpassung ihrer Geschäftsmodelle zwingen. Unter dem Strich habe das Euro-Finanzsystem jedoch seine Widerstandsfähigkeit gegen externe Schocks verbessert. „Insgesamt sehen wir ein niedriges Niveau systemischer Risiken im Euroraum“, konstatierte Constâncio.
Es gebe keine Anzeichen für eine ungesunde Überbewertung der Preise an den Euro-Finanzmärkten auf breiter Front. Die Häuserpreise lägen etwas unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte. Allerdings gebe es bei Immobilien große Unterschiede zwischen den nationalen Märkten, meinte Constâncio.
Die Flaute in Schwellenländern könnte die Finanzstabilität im Euroraum nach EZB-Einschätzung jedoch ins Wanken bringen. Hauptgefahr seien plötzliche Umschwünge an den Märkten - ausgelöst etwa durch einen Anstieg der Zinsen in den USA oder weitere Turbulenzen in wichtigen Märkten wie China.