China zeigt schwächstes Wachstum seit 25 Jahren
Peking (dpa) - Trotz des langsamsten Wachstums seit 25 Jahren sieht die Regierung in Peking die zweitgrößte Volkswirtschaft auf Kurs.
Das Wachstum fiel im vergangenen Jahr auf offiziell 6,9 Prozent, wie das Statistikamt am Dienstag berichtete. Der Rückgang lag im Rahmen der Erwartungen, so dass die seit Wochen von den Sorgen um China verschreckten globalen Finanzmärkte eher beruhigt waren. Staats- und Parteichef Xi Jinping sprach von der „neuen Normalität“ und beschrieb die langfristigen Grundlagen der Wirtschaft als „tragfähig“.
Der Trend zeigt allerdings weiter nach unten. Im vierten Quartal fiel das Wachstum auf nur 6,8 Prozent im Vorjahresvergleich. Das war der niedrigste Quartalszuwachs seit Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008. Im Vorjahr war die Wirtschaft noch mit 7,3 Prozent gewachsen. Die Konjunkturschwäche trifft auch deutsche Exporteure, die erstmals seit fast zwei Jahrzehnten weniger ins Reich der Mitte ausführen. China ist wichtigster Abnehmer deutscher Maschinen und Nummer Vier der Handelspartner nach den USA, Großbritannien und Frankreich.
Das Wachstum lag im Rahmen des Ziels der Regierung von „rund 7 Prozent“. China trage weiter mehr als 25 Prozent zum globalen Wachstum bei, sagte Statistikchef Wang Baoan. Es gibt aber Zweifel an den Daten. Experten gehen - gemessen etwa an Frachtvolumen oder Energieverbrauch - von einem Wachstum von nur 4 bis 6 Prozent aus.
So fiel die Stromproduktion im vergangenen Jahr sogar zum ersten Mal seit fast fünf Jahrzehnten um 0,2 Prozent. Es war der erste Rückgang seit 1968, als die Kulturrevolution (1966-76) das Land lahmgelegt hatte. Philipp Hauber vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagte, die offizielle Wachstumszahl sei „mit Vorsicht zu betrachten“. „Alternative Indikatoren zeichnen ein deutlich düstereres Bild.“
Erstmals trug der Dienstleistungssektor mit 50,5 Prozent (Vorjahr: 48,1) zu mehr als der Hälfte der Wirtschaftsleistung bei, was das Statistikamt als Erfolg der Umstrukturierung wertete. Das Anstieg der Industrieproduktion fiel aber von 8,3 auf 6,1 Prozent. „Obwohl sich Produktion und traditionelle Geschäftsbereiche schlecht entwickeln, wurden 6,9 Prozent Wachstum erreicht, was eine gute Sache ist“, sagte die unabhängige chinesische Analystin Ye Tan.
Aus ihrer Sicht wird der Dienstleistungssektor unterschätzt. Der heimische Konsum, der als neue Triebkraft gilt, entwickle sich zwar langsamer als erhofft, aber im „akzeptablen Rahmen“. Nach Angaben des Statistikamtes ist der Beitrag des heimischen Konsums zur Wirtschaftsleistung um 15,4 Punkte auf 66,4 Prozent gestiegen.
Doch kühlten sich mit den Immobilien- und Anlageinvestitionen traditionell wichtige Motoren der Wirtschaft deutlich ab. Der Investitionszuwachs im Bausektor fiel von 10,5 auf nur noch 1 Prozent. Die wichtigen Anlageinvestitionen wuchsen nur um 10 Prozent, nachdem sie im Vorjahr noch um 15,7 Prozent zugelegt hatten.
Trotz des geringeren Wachstums und der Turbulenzen an Chinas Börsen zeigte sich Chinas Präsident optimistisch. Die Wirtschaft müsse sich stärker auf heimischen Konsum, den Dienstleistungssektor und Innovation stützen. Das Wachstum müsse kurzfristig „stabilisiert“ werden, sagte Xi Jinping, was Hoffnung auf neue Konjunkturmaßnahmen weckte und prompt die chinesischen Börsen beflügelte.
Es sei „entscheidend“, die Überkapazitäten abzubauen, mahnte Xi Jinping ferner. Die Industrie müsse umstrukturiert, die Kosten der Unternehmen reduziert, aufstrebende Industrien und der moderne Dienstleistungssektor entwickelt werden. So soll sich China weniger auf Export und Investitionen stützen.
Experten rechnen angesichts der wachsenden Schuldenlast der Unternehmen, der Immobilienblase und Überkapazitäten mit einem weiteren Rückgang des Wachstums. Der Internationale Währungsfonds erwartet 2016 nur 6,3 Prozent Plus. Mit dem neuen Fünf-Jahres-Plan, der im März gebilligt wird, strebt Chinas Führung durchschnittlich 6,5 Prozent in dem Zeitraum an, was Experten für ehrgeizig halten.
Während der Anteil der Industrieproduktion an der Wirtschaftsleistung abnehmen werde, gewinne der Dienstleistungssektor an Bedeutung, sagte Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin. „Das verhaltende Geschäftsklima trifft Investitionsgüter, vor allem den Maschinenbau“, beschrieb er die Folgen für die deutsche Wirtschaft. „Insgesamt verschieben sich die Wachstumstreiber, und die deutsche Industrie muss ihre Erwartungen entsprechend anpassen.“