Chinas Turbo-Wachstum schwächt sich ab
Peking (dpa) - Chinas Wirtschaftswachstum ist im ersten Quartal auf den niedrigsten Stand seit anderthalb Jahren gefallen. Mit 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum lag der Zuwachs der zweitgrößten Volkswirtschaft unter dem selbst gesteckten Ziel von 7,5 Prozent für dieses Jahr.
Die Erwartungen waren mit 7,3 Prozent allerdings noch schlechter, so dass die Reaktionen eher positiv ausfielen. Das Statistikamt sprach am Mittwoch in Peking davon, dass sich die Wirtschaft „insgesamt stabil“ entwickle.
Sollte es allerdings in diesem Jahr bei dem Tempo bleiben, wäre es das langsamste Wachstum seit 24 Jahren. In den vergangenen zwei Jahren hatte die Wirtschaftsleistung noch um jeweils 7,7 Prozent zugelegt. Ein langsameres Wachstum in China beeinträchtigt auch die globale Konjunktur und die Exporte deutscher Unternehmen das Land. So fiel der Außenhandel im ersten Quartal um ein Prozent.
Vor allem geringere Aktivitäten im Export und Immobiliensektor drückten das Wachstum, wie Chefökonom Louis Kuijs von der Royal Bank of Scotland (RBS) sagte. Das Wachstum im Dienstleistungsbereich sei aber besser als in der Industrie. „Die Wachstumsrisiken bleiben, und die Dynamik der Wachstumspolitik dürfte die Märkte in den nächsten Monaten nervös halten“, sagte Kuijs der Nachrichtenagentur dpa. Da die meisten Wachstumstreiber intakt seien und sich die weltweite Konjunktur erhole, sei ein großes Stimulusprogramm nicht nötig.
Die Industrieproduktion legte im März wieder um 8,8 Prozent zu, während sie im ersten Quartal insgesamt um 8,6 Prozent gewachsen war. Auch die heimische Nachfrage entwickelte sich nicht schlecht. Die Einzelhandelsumsätze stiegen im ersten Quartal um zwölf Prozent zu.
Nach Abzug der Inflation waren es immer noch 10,8 Prozent. Die Kontrolle der Kreditvergabe kühlte den überhitzten Immobilienmarkt ab. Die Wohnungs- und Hausverkäufe nahmen im ersten Quartal um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ab. Investitionen in Immobilien stiegen nur noch um 16,8 Prozent - 2,5 Punkte weniger.
Nach dem zweistelligen Turbo-Wachstum der Vergangenheit strebt Chinas Regierung eine nachhaltigere Entwicklung und Umstrukturierung an. Dafür werden niedrigere Wachstumsraten in Kauf genommen, solange genug Arbeitsplätze geschaffen werden. Eine große Gefahr sind faule Kredite und mögliche Pleiten im ausufernden Schattenbankenwesen. Regierungschef Li Keqiang hat vorübergehende Konjunkturprogramme als Reaktion auf kurzfristige Fluktuationen ausgeschlossen.
Allerdings war erst Anfang April ein Mini-Stimulus mit Steuerermäßigungen und Investitionen in Eisenbahn und sozialen Wohnungsbau auf den Weg gebracht worden. „Diese Maßnahmen sollen das Wachstum stabilieren“, sagte Wang Jun, Forscher am Zentrum für internationalen Wirtschaftsaustausch, der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua. „Der wirtschaftliche Schwung wird im zweiten Quartal zunehmen. Es gibt keinen Grund zur Sorge, dass die Wirtschaft außer Kontrolle geraten könnte.“
Der Rückgang im Wachstum gehe vor allem auf schwache Bauinvestitionen zurück, meinte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP-Bankengruppe in Vaduz. „Die restriktivere Kreditvergabe hinterlässt nun also auch bei den gesamtwirtschaftlichen Zuwachsraten Spuren.“ Aus europäischer Sicht erscheinen sieben Prozent Wachstum viel, aber für ein Schwellenland wie China mit großem Nachholbedarf und vielen Entwicklungsproblemen ist es wenig - auch weil jedes Jahr mindestens zehn Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen.