Chinas Wachstum verliert an Dynamik
Peking (dpa) - Das Turbo-Wachstum in der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft China verliert auch wegen der europäischen Schuldenkrise an Dynamik. Im ersten Quartal legte die chinesische Wirtschaft mit 8,1 Prozent deutlich langsamer zu als erwartet.
Es ist das geringste Wachstum in China seit fast drei Jahren, wie das Statistikamt am Freitag in Peking mitteilte. Gründe sind neben der geringeren Nachfrage nach Exporten unter anderem im schuldengeplagten Europa auch ein langsameres Wachstum des Konsums in China sowie der Investitionen, wie die Weltbank berichtete.
Die obersten Wirtschaftslenker hatten vor zwei Wochen noch mit 8,4 Prozent Wachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gerechnet. „Wir glauben, dass die Wirtschaft in der Zukunft ein mäßiges und beständiges Wachstum aufrechterhalten kann, weil sich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten nicht verändert haben“, gab sich der Sprecher des Statistikamtes, Shen Laiyun, trotzdem zuversichtlich. Er verwies auf die schnelle Industrialisierung, die Urbanisierung, die weitere Hinwendung zur Marktwirtschaft und die Internationalisierung der chinesischen Wirtschaft.
Der deutsche Aktienmarkt reagierte auf die verhaltenen Konjunkturdaten aus China mit Kursrückgängen. Bis zum Mittag verlor der Leitindex Dax fast ein Prozent. „Für den Leitindex einer klassischen Exportnation wie Deutschland ist das alles andere als Wasser auf die Mühlen“, kommentierte Marktstratege Gregor Kuhn von IG Markets die Daten.
Der Sprecher des chinesischen Statistikamtes sagte, das Wachstum sei trotz der globalen konjunkturellen Schwäche und der Probleme in China wie den Schwierigkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen erreicht worden. Im globalen Vergleich ist die Wirtschaft des großen Schwellenlandes auch immer noch ein Lichtfleck, doch wird sein langsameres Wachstum nach Angaben von Experten nur noch weniger zur globalen Erholung beitragen. Im vergangenen Jahr hatte das Wachstum in China noch bei 9,2 Prozent gelegen.
Nach Angaben des Statistikamtes hat sich auch der überhitzte Immobilienmarkt in China etwas abgekühlt. Die Transaktionen bei Apartments und Wohnhäusern fielen um 14 Prozent. Die Investitionen im Immobiliensektor stiegen im ersten Quartal nur noch um 23,5 Prozent oder 4,4 Prozentpunkte weniger als im ganzen vergangenen Jahr. Die städtischen Anlageinvestitionen insgesamt legten um 20,9 Prozent zu - 2,9 Punkte weniger als im Gesamtjahr 2011.
„Die Zeit der schnellen Entwicklung geht zu Ende“, sagte Li Yiping, Ökonom der Volksuniversität (Renmin Daxue) in Peking der Nachrichtenagentur China News Service. „Der Grund, warum sich China so schnell entwickelt hat, war der große Nachholbedarf.“ Heute hätten viele Chinesen Autos, Computer oder andere Konsumgüter. Der Markt sei zunehmend gedeckt. Ein neues Entwicklungsmodell müsse her. „Doch dieser Punkt eines neuen Wachstums ist noch nicht erreicht.“
Der Chef-Ökomon der Weltbank in China, Ardo Hanssen, erwartet, dass es in der zweiten Jahreshälfte wieder bergauf gehen dürfte. Die Weltbank rechnet in China in diesem Jahr mit 8,2 Prozent Wachstum. Gründe sind die geringere Nachfrage nach Exporten unter anderem im schuldengeplagten Europa, ein langsameres Wachstum des Konsums und der Investitionen. Die Vorhersage der Weltbank für 2013 ist mit 8,6 Prozent aber wieder besser.
Die Regierung hatte das Wachstumsziel im März sogar auf 7,5 Prozent gesenkt, liegt damit aber traditionell deutlich unter der tatsächlichen Entwicklung. Nach einem schwachen Januar und Februar deuten die Wirtschaftsdaten im März auf eine Erholung hin, wie das Statistikamt berichtete. Die Wirtschaft habe sich stabilisiert. Die Industrieproduktion stieg im ersten Quartal insgesamt um 11,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.