Chinesen im Kaufrausch
Jeder Tourist gibt rein rechnerisch 610 Euro in Deutschland aus.
Frankfurt. 610 Euro lautet die magische Zahl. So viel gibt ein chinesischer Tourist im Durchschnitt pro zollfreiem Einkauf in Deutschland aus und stellt damit arabische Scheichs und russische Power-Shopper locker in den Schatten. Schmuck, Uhren, Kleidung, Leder und Haushaltswaren stehen hoch im Kurs bei den frischgekürten Reiseweltmeistern aus der aufstrebenden Wirtschaftsmacht, haben die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) und der Mehrwertsteuerabwickler Global Blue erneut gemeinsam festgestellt.
„Die Waren sind hier viel billiger als in China — und sie sind vor allem echt. Da lohnen sich auch die Zollgebühren“, sagt die Marketingexpertin Xiaoxing Zhang vom Hamburger Veranstalter Caissa Touristik. Bei den immer noch vorherrschenden Gruppenreisen durch Europa sind die Einkaufsmöglichkeiten streng durchgeplant und werden möglichst ans Ende des Trips gelegt, damit die Kunden nicht zu viele Waren mit sich herumschleppen müssen, berichtet sie. Das Vertrauen ist dabei groß, hat der Tourismusforscher Wolfgang Georg Arlt festgestellt: „In Deutschland gehen die Chinesen einfach davon aus, dass es keine Fakes (Kopien) gibt. Das trauen sie den Händlern nicht zu.“
Wichtig für chinesische Touristen ist die Zusicherung ihres Veranstalters, kurz vor Abflug alle gewünschten Waren einkaufen zu können. Darauf hat sich die Geschäftswelt am größten deutschen Drehkreuz in Frankfurt in Konkurrenz zu Paris, Amsterdam oder München glänzend eingerichtet: In der schmalen, aber noblen Goethe-Straße sprechen die Verkäufer der Boutiquen fließend Mandarin, eigens für Chinesen eingerichtete Geschäfte rund um die Paulskirche halten ein Sortiment gefragter Marken-Messer oder Uhren bereit. Und am Flughafen hat Betreiber Fraport Shopping-Assistenten ausgebildet, die Gäste in deren Landessprache durch die Geschäfte geleiten.
Mit 1,6 Millionen Übernachtungen waren im vergangenen Jahr die besonders kauffreudigen Chinesen nach den US-Amerikanern die zweitgrößte Besuchergruppe aus Übersee und unter allen Besuchernationen die Nummer 14. Insgesamt übernachteten 69 Millionen ausländische Gäste in Deutschland. Den Gesamtumsatz schätzt die deutsche Tourismuszentrale auf 36,6 Milliarden Euro.