Chrysler zahlt Rekordstrafe in Höhe von 105 Millionen Dollar
Washington/London (dpa) - Die US-Verkehrsaufsicht hat Fiat Chrysler wegen Regelverstößen bei Autorückrufen eine Rekordstrafe aufgebrummt. Der italienisch-amerikanische Branchenriese werde 105 Millionen Dollar (rund 95 Millionen Euro) zahlen, teilte die zuständige Behörde NHTSA am Sonntag (Ortszeit) mit.
Zudem können anderthalb Millionen Autobesitzer ihre Wagen an den Hersteller zurückverkaufen. „Die heutige Entscheidung zieht Fiat Chrysler zur Rechenschaft für Fehler der Vergangenheit“, kommentierte US-Verkehrsminister Anthony Foxx. Der Konzern werde dadurch dazu gedrängt, unsichere Fahrzeuge zu reparieren oder von der Straße zu holen und konkrete Schritte zu unternehmen, um die Sicherheit der US-Bürger zu erhöhen. Fiat Chrysler akzeptierte die Strafe und gelobte Besserung.
Die NHTSA war der Frage nachgegangen, ob das Unternehmen verspätet auf Sicherheitsmängel reagiert hatte. Insgesamt werfen die Regulierer dem Konzern Schlampereien bei 23 Rückrufen vor, die über elf Millionen Fahrzeuge betreffen. Fiat Chrysler muss eine Geldstrafe von 70 Millionen Dollar zahlen. Zusätzliche 20 Millionen Dollar muss der Konzern ausgeben, um die Qualitätsstandards künftig einzuhalten.
Außerdem muss Fiat Chrysler einen von der Verkehrssicherheitsbehörde zugelassenen Kontrolleur einstellen. 15 Millionen Dollar Bußgeld könnten fällig werden, wenn dieser Prüfer weitere Fehler entdeckt. Fiat Chrysler habe Millionen von Kunden und den öffentlichen Straßenverkehr in Gefahr gebracht, sagte NHTSA-Chef Mark Rosekind.
Der Konzern hat sich zudem bereiterklärt, mehr als eine halbe Million Fahrzeuge wegen defekter Bauteile, die zu einem Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug führen können, zurückzukaufen. Zusätzlich soll Fiat Chrysler Kunden für über eine Million Jeeps, bei denen das Risiko besteht, dass der Tank bei Unfällen in Brand gerät, Rückkäufe über dem Marktwert anbieten oder mit Geldprämien Reparatur-Anreize setzen.
Fiat Chrysler war in der Vergangenheit wiederholt wegen Rückrufen mit der NHTSA aneinandergeraten. 2013 beispielsweise hatte das Unternehmen es zunächst kategorisch abgelehnt, Millionen von Jeeps wegen Feuergefahr in die Werkstätten zu holen. Bei den Wagen kann der hinter der Hinterachse verbaute Tank bei Auffahrunfällen leicht in Flammen aufgehen. Erst auf erhöhten Druck der Aufsichtsbehörde lenkte der Hersteller damals ein.
Im April wurde Fiat Chrysler nach dem Unfalltod eines vierjährigen Kindes von einer Jury im US-Bundesstaat Georgia zu einer Strafe von 150 Millionen Dollar verurteilt. Die Geschworenen warfen dem Hersteller Rücksichtslosigkeit und Missachtung von Menschenleben vor.
Fiat Chrysler ist unter anderem auch von der Rückruf-Serie betroffen, die der japanische Zulieferer Takata diversen Autobauern eingebrockt hat. Bei den Airbags des Produzenten besteht das Risiko, dass sie unvermittelt auslösen und es zu einer gefährlichen Explosion kommt, bei der Metallteile durch den Innenraum geschleudert werden.
Erst in der vergangenen Woche machte Fiat Chrysler Schlagzeilen durch den Rückruf von 1,4 Millionen Wagen, bei denen Teile der Steuerungssoftware gegenüber Hacker-Angriffen anfällig sind. Es ist das erste Mal überhaupt, dass das Risiko von Cyberattacken in der Autoindustrie zu Rückrufen führt. Zwei Hacker schafften es bei einem Jeep Cherokee, über eine Sicherheitslücke in dem Unterhaltungssystem bis zur Steuerung des Fahrzeugs vorzudringen.
In den USA wurden 2014 nach Daten der NHTSA fast 64 Millionen Wagen von Autoherstellern in die Werkstätten beordert - so viele wie nie zuvor. Anfang des Jahres hatte die Behörde bereits den japanischen Autobauer Honda mit einer Strafe von 70 Millionen Dollar belegt, weil er nicht ausreichend über mögliche Sicherheitsmängel informiert habe. Der Branchenführer General Motors, dessen Probleme mit defekten Zündschlössern für einen großen Teil der Rückrufwelle verantwortlich waren, steht ebenfalls stark in der Kritik.
Aber auch die NHTSA selbst muss sich regelmäßig heftige Vorwürfe gefallen lassen. Kritiker bemängeln die große Nähe zwischen Herstellern und Aufsehern. Zudem gilt die Rückrufpraxis in den USA grundsätzlich als überholungsbedürftig. Häufig ist es schwierig, Fahrzeughalter überhaupt ausfindig zu machen. Gebrauchtwagenhändler können Autos, die von Rückrufen betroffen sind, bislang unrepariert weiterverkaufen, ohne dass dies rechtliche Konsequenzen hätte.