„Verträgliche Lösungen finden“ Commerzbank: Jobabbau vor allem in Deutschland
Frankfurt/Main (dpa) - Die Commerzbank schließt bei ihrem gewaltigen Stellenabbau betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. Das Institut werde aber „alles tun“, um solche Schritte zu vermeiden, sagte Konzernchef Martin Zielke.
„Wir sind uns einig, dass das Ziel sein muss, möglichst verträgliche Lösungen zu finden.“ Treffen werde die Schrumpfkur vor allem Deutschland, die Details sollen nun mit den Betriebsräten verhandelt werden.
Der Dax-Konzern hatte am Vortag angekündigt, 9600 seiner derzeit gut 45 000 Vollzeitstellen bis zum Jahr 2020 zu streichen. Weil die Bank zugleich 2300 neue Arbeitsplätze in Einheiten im In- und Ausland schaffen will, fallen unter dem Strich 7300 Vollzeitstellen weg.
„Die Entscheidung für den Personalabbau ist mir sehr schwergefallen“, versicherte der frühere Privatkundenchef Zielke, der den Vorstandsvorsitz im Mai übernommen hatte. Der Bank bleibe aber angesichts des massiven Umbruchs in der Branche keine andere Wahl. „Wir verdienen einfach nicht genug Geld“, betonte Zielke. „Wir müssen dringend selbst etwas tun, um die Bank wieder deutlich profitabler und wettbewerbsfähiger zu machen.“
Geld bekommt die Commerzbank durch den Verkauf ihrer Zentrale in Frankfurt in die Kasse, zudem soll ein günstigerer Mietvertrag künftig Kosten sparen. Das höchste Bürogebäude Deutschlands geht an eine Tochter der Lebensversicherungsparte des Samsung-Konzerns. Die Südkoreaner vermieten das markante Hochhaus am Frankfurter Kaiserplatz dann an das Institut. Zuvor hatte die Bank das Gebäude zwei Fonds der Commerzbank-Tochter Commerz-Real abgekauft und nun weitergereicht. Medienberichten zufolge bleibt bei dem Geschäft ein zweistelliger Millionenbetrag als Gewinn hängen.
Von der Konzentration auf die beiden Geschäftsbereiche Privat- und Unternehmerkunden sowie Firmenkunden verspricht sich die Bank einen kräftigen Schub. „Insgesamt wollen wir bis 2020 im deutschen Markt netto zwei Millionen neue Kunden im Privatkundengeschäft gewinnen“, sagte Zielke. „Mir ist bewusst, dass das ambitioniert ist, aber wir haben gezeigt, dass so etwas möglich ist.“ Seit Ende 2012 bis einschließlich Juni 2016 kamen 940 000 zusätzliche Privatkunden hinzu, bis Jahresende sollen es eine Million sein. Damit hätte die Bank dann zwölf Millionen Privatkunden.
„Wir wollen mehr Wachstum mit Privatkunden und das möglichst schnell“, betonte Zielke. Die Erträge in dieser Sparte sollen um mindestens 1,1 Milliarden Euro gesteigert werden. Dabei setzt das Institut weiterhin auf ein vergleichsweise dichtes Filialnetz in Deutschland mit derzeit 1050 Standorten. „Wir fühlen uns im Moment mit der Anzahl unserer Filialen sehr gut und ich sehe da auch nach vorne keine wesentlichen Veränderungen“, sagte Zielke.
Rund 700 Millionen Euro jährlich will die Bank in Digitalisierung und ihre IT investieren. An einem eigenen Standort in Frankfurt schafft die Bank mit sofortiger Wirkung einen „Digital Campus“: In der Ideenschmiede sollen in wechselnden Teams bis zu 1000 Mitarbeiter an neuen Angeboten und Prozessen arbeiten. „Wir werden die Bank einfacher, schneller und effizienter machen und damit die Kosten um brutto mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr senken“, sagte Zielke.
Der radikale Konzernumbau schlägt sich auch im Vorstand nieder: Der Chef der Mittelstandssparte, Markus Beumer, verlässt das Institut. Beumers Vertrag werde auf seinen Wunsch zum 31. Oktober 2016 aufgelöst. Der Vertrag des Managers, der seit Januar 2008 dem Commerzbank-Vorstand angehört, war erst im vergangenen Jahr bis zum 31. Dezember 2020 verlängert worden.
Die Leitung der neuen Firmenkundensparte übernimmt Michael Reuther, der derzeit das Investmentbanking führt. Dieser Bereich wird deutlich eingedampft und mit weiten Teilen der bisherigen Mittelstandssparte zusammengefasst. Die Mittelstandssparte war über Jahre der wichtigste Ertragsbringer der Bank, litt aber zuletzt zunehmend unter dem Zinstief. Beumer galt lange als möglicher Nachfolger für den langjährigen Konzernchef Martin Blessing, im Frühjahr machte die Bank aber den bisherigen Privatkundenvorstand Zielke zum neuen Chef.
Blessing hatte sich mit einem Milliardengewinn und der ersten Dividende seit 2007 verabschiedet. Doch die Euphorie wich schnell: Die Commerzbank hat wie die Konkurrenz mit den Auswirkungen des anhaltenden Zinstiefs und verschärften Auflagen der Aufseher zu kämpfen. Im ersten Halbjahr 2016 brach der Überschuss im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 40 Prozent auf 372 Millionen Euro ein. Für das dritte Quartal rechnet die Bank mit roten Zahlen, im Gesamtjahr 2016 dürfte nach Einschätzung des Vorstands unter dem Strich ein kleiner Überschuss stehen. Eine Gewinnausschüttung für die Aktionäre ist bis auf Weiteres gestrichen.