Commerzbank umschifft Risiken: Kurswechsel
Frankfurt/Main (dpa) - Die Commerzbank schrumpft weiter - und wirft dabei auch eigene Überzeugungen über Bord. Noch Ende März galten Schiffe und das gewerbliche Immobiliengeschäft als „strategisch wichtige Bestandteile“, drei Monate später beschließt der Vorstand das Aus für diese Bereiche.
Ein Strategieschwenk sei das freilich nicht, bemüht sich Kapitän Martin Blessing zu erklären: „Das ist keine Kehrtwende, sondern eine Beschleunigung unseres bisherigen Kurses.“ Analysten nehmen ihm das nicht ab, Mitarbeiter der Sorgentochter Eurohypo sind geschockt, die Reeder sauer.
„Natürlich ist das eine Kehrtwende“, urteilte Konrad Becker, Bankenanalyst bei Merck Finck. „Man kann nicht vor drei Monaten sagen, wir bauen das aus und jetzt wird es dichtgemacht.“ Der Verband Deutscher Reeder (VDR) zeigte sich verstimmt: „Eine mit Steuergeldern unterstützte und im Teilbesitz des Staates befindliche Bank kann sich nicht von heute auf morgen aus einem für den Standort Deutschland strategisch wichtigen Geschäftsbereich verabschieden.“
Ohne Zweifel: Europas Staatsschuldenkrise und die schärferen Anforderungen der Regulatoren halten die Finanzbranche in Atem. Die Commerzbank, die mitten in der Finanzkrise die riskante Übernahme der Dresdner stemmte und die Altlast Eurohypo am Bein hat, hat mehr zu kämpfen als viele Wettbewerber. Doch die Lage ist nicht erst seit Dienstag prekär, als des Management den Kurswechsel beschloss.
Dass ein Dax-Konzern binnen weniger Monate die Strategie ändert, ist ungewöhnlich. Für Analysten ist das ein Indiz für die großen Probleme der Bank: Das teilverstaatlichte Institut kommt einfach nicht in ruhiges Fahrwasser.
Als sich die Frankfurter Ende März mit der EU-Kommission auf ein milderes Prozedere für die Sorgentochter Eurohypo einigte, schien der Ballast weniger zu werden. Brüssel erlaubte der Commerzbank sogar, Rosinen zu picken und die wenigen lukrativen Teile des Staats- und Immobilienfinanzierers zu behalten. Nun wird auch die gewerbliche Immobilienfinanzierung ganz über Bord geworfen.
Von der Finanzkrise hat sich die Commerzbank bis heute nicht erholt. Der Aktienkurs liegt nach zahlreichen Kapitalerhöhungen am Boden. Wann und ob der Staat seine Beteiligung abbaut, ist offen. Zuletzt setzte der Bank ihr hohes Engagement in Euro- Krisenstaaten zu. Weitere Belastungen könnten aus Spanien und Italien kommen. Und nun droht sogar die deutsche Wirtschaft zu schwächeln.
Vor diesem Hintergrund zog Blessing die Reißleine. Das zyklische Geschäft mit Schiffen und gewerblichen Immobilien soll ganz verschwinden. So will er Kapital schonen, das in Zeiten strengerer regulatorischer Anforderungen für Banken immer wichtiger wird. Zudem kündigte Blessing an, sämtliche Geschäftsbereiche zu überprüfen. Auch das sei ein normaler Vorgang, betonte die Bank.
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Uwe Tschäge zeigte sich zunächst gelassen. Er habe noch keine Brandmeldungen von besorgten Mitarbeitern erhalten. Die Beschäftigten seien aus den vergangenen Jahren ohnehin einiges gewohnt: „Unruhe ist eigentlich immer da“, sagte Tschäge. Dagegen herrscht bei der Eurohypo Ratlosigkeit über die Zukunft der verbliebenen rund 1000 Mitarbeiter.
Den ersehnten Befreiungsschlag ist die Bank nach Analystenmeinung mit dem neuen Kurs erneut schuldig geblieben. Der Abbau werde Zeit brauchen, räumt selbst die Bank ein. Bankexperten hielten es für das Beste, wenn das Krisengeschäft in eine staatliche „Bad Bank“ ausgliedert werden könnte. Doch das will der Staat unbedingt vermeiden, um nicht erneut für Schrottpapiere geradestehen zu müssen. Die Commerzbank bleibt in unruhigem Fahrwasser. An Bord ist auch der Steuerzahler: Ein Viertel der Bank gehört dem Staat.