Daimler-Hauptversammlung: Aktionäre sind verunsichert
Berlin (dpa) - Der Dieselskandal bei Volkswagen und die damit verbundene Diskussion um Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen sorgt für Unruhe unter den Daimler-Aktionären.
Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment sprach auf der Hauptversammlung in Berlin von „enormen Klage- und Reputationsrisiken für die gesamte Automobilindustrie“. Auch andere Aktionärsvertreter verlangten mehr Aufklärung. Daimler-Chef Dieter Zetsche erwiderte auf Klagen und Beschwerden von Umweltorganisationen: „Diese Vorwürfe weisen wir entschieden zurück.“
Die Daimler-Aktie hatte wie die Papiere anderer Autobauer nach Bekanntwerden der Manipulation von Dieselmotoren bei Volkswagen deutlich an Wert verloren. Die Stuttgarter hatten stets bestritten, eine „Defeat Device“ genannte Schummelsoftware, die Testfahrten erkennt, in ihren Motoren zu verwenden.
Trotzdem kritisieren Umweltverbände zu hohe Abgaswerte auch bei Daimlers Dieselmotoren. In den USA hatten Autobesitzer schon im Februar eine Sammelklage gegen Daimler wegen angeblichen Betrugs bei Abgaswerten eingeleitet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat nun eine Unterlassungsklage wegen Verbrauchertäuschung vor dem Landgericht Stuttgart eingereicht (Az. : 34 O 21/16 KFH). Eine Daimler-Sprecherin sagte: „Die Klage wurde uns inzwischen zugestellt, wir halten sie für unbegründet.“
Die Umwelthilfe wirft dem Autobauer vor, Verbraucher mit Werbung für saubere Dieselmotoren der Mercedes C-Klasse 220 CDi in die Irre zu führen. Der Verein kritisiert eine Einrichtung, die in einigen Dieselmotoren dafür sorgt, dass die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen heruntergeregelt wird. Hersteller wie Daimler begründen das mit dem Schutz von Bauteilen, der in den rechtlichen Vorgaben vorgesehen sei. Die Umwelthilfe hatte allerdings den Entzug der Typgenehmigungen des Modells gefordert.
Einen ähnlichen Antrag, der sich gegen ein Opel-Modell wandte, habe das Kraftfahrtbundesamt abgelehnt, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Man werde dem widersprechen und notfalls auch vor das Verwaltungsgericht ziehen.
Vorsorglich ließ die Umwelthilfe die Praxis in einem Rechtsgutachten für nicht rechtens erklären. Ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu einem ähnlichen Schluss. Das zuständige Kraftfahrbundesamt wollte sich dazu bislang allerdings nicht äußern.
Daimler-Chef Zetsche sagte am Mittwoch, Fahrzeuge seien auf Basis der geltenden Rahmenbedingungen in den einzelnen Regionen zertifiziert und zugelassen. Die vorgegebenen Grenzwerte würden eingehalten. „Im realen Fahrbetrieb können Abweichungen im Vergleich zu den zertifizierten Normwerten auftreten.“ Das sei keine Manipulation, sondern Folge der vorgeschriebenen Messverfahren. Rückstellungen für mögliche Schadenersatzzahlungen seien bislang nicht gebildet worden.
An den Geschäften des Autoherstellers hatten die Aktionäre wenig auszusetzen. Nach dem Rekordjahr 2015 will der Konzern seine Anteilseigner mit einer deutlich erhöhten Dividende von 3,25 Euro (Vorjahr: 2,45 Euro) belohnen.
Zetsche rechnet 2016 in der zweiten Jahreshälfte mit mehr Aufwind für das Geschäft des Autobauers. Er erwarte, dass das zweite Halbjahr dank der neuen E-Klasse und günstigerer Währungseffekte „deutlich besser laufen wird als das erste Halbjahr“, sagte Zetsche. Vor allem das erste Quartal werde von Anlaufkosten für das neue Modell sowie einer starken Nachfrage nach kleineren Autos beeinträchtigt, die weniger Gewinn abwerfen als die großen. Die Verkäufe im Autogeschäft zogen im ersten Quartal trotz einer Abschwächung im März ordentlich an.
Kritisch sahen einige Aktionäre die Wiederwahl von Aufsichtsratschef Manfred Bischoff. Der 73-Jährige soll für weitere fünf Jahre in dem Kontrollgremium sitzen. Spekulationen zufolge soll er dann vom dem bis dahin ausgeschiedenen Konzernchef Zetsche beerbt werden. „Das ist keine gute Corporate Governance, eine vorausschauende Nachfolgeplanung sieht anders aus“, sagt Fondsmanager Speich von Union Investment.
Unterdessen bestätigte Daimler Gespräche mit den US-Techkonzernen Amazon und Microsoft über einen Einstieg beim Kartendienst Nokia Here. „Wir reden mit Amazon, Microsoft und vielen Autoherstellern“, sagte Entwicklungschef Thomas Weber dem „Wall Street Journal“ (Mittwoch). BMW, Daimler und die VW-Tochter Audi hatten den Kartendienst für mehr als 2,5 Milliarden Euro von Nokia gekauft.