Wachstumsmarkt Das millionenschwere Geschäft mit der E-Zigarette
Auf den Straßen, in Parks und Cafés sind sie kaum noch zu übersehen: Menschen, die an elektrischen Zigaretten ziehen. Das Geschäft mit dem Dampf ist inzwischen millionenschwer. Doch die Zukunft ist unsicher.
Berlin. „Kreuzberger Ernte“, „Starker Tobak“, „Der Aussauer“: Wer wissen will, was sich hinter diesen Geschmacksrichtungen verbirgt, muss Laura Deppe folgen. Die junge Frau steigt in ihrem kleinen Berliner Laden eine schmale Wendeltreppe herab und präsentiert ihr Kellerlabor:
Regale mit Kunststoffflaschen voller Aromen, ein Tisch mit blauen Kanistern. Dort mischt eine Biotechnologin die Flüssigkeiten zusammen, mit denen Deppe ihr Geld verdient: Liquids für elektrische Zigaretten.
Vor einem knappen Jahr hat die 27 Jahre alte Juristin Deppe mit ihrem Partner Nino Haarhaus den Laden Tante Dampf eröffnet. Im angesagten Kreuzberger Graefekiez verkaufen sie die aromatisierten Flüssigkeiten, E-Zigaretten und Zubehör.
„Das ist ein spannendes Produkt, dessen Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist“, sagt die Unternehmerin. Sie setzt auf einen wachsenden Markt. Doch je mehr Leute dampfen, desto größer wird der Widerstand dagegen. Deppe sagt: „Wir zittern ein bisschen.“
Eine E-Zigarette, das ist: ein Akku, ein Verdampfer mit einem Heizdraht, ein Tank für die meist nikotinhaltige Flüssigkeit und ein Mundstück. Wie eine Zigarette sieht sie nicht gerade aus. Auf den ersten Blick wirkt es eher, als ziehe jemand an einem übergroßen Metallkugelschreiber.
Die Geschmackspalette scheint unbeschränkt: Von Cappuccino über Schokolade bis Pina Colada sind in Läden und im Internet Hunderte Varianten zu haben. „Bei unseren Kunden ist Tante Dampf No. 5 am beliebtesten, ein leichter Tabakgeschmack“, sagt Deppe. „Viele mischen sich ihre Liquids auch selbst, für sie ist es ein Hobby.“
Noch ist es ein Nischenmarkt, aber er wächst stark. 200 Millionen Euro Umsatz machten die deutschen Händler nach Branchenangaben im vergangenen Jahr, doppelt so viel wie im Vorjahr. In diesem Jahr werden 300 Millionen Euro erwartet. Hinzu kommen die unbezifferte Ausgaben der Bundesbürger bei ausländischen Online-Händlern.
Die EU-Kommission und die Bundesregierung jedoch sehen das mit Sorge. „Auch von diesen vermeintlich harmlosen Erzeugnissen gehen gesundheitliche Gefahren für Kinder und Jugendliche aus“, sagt Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU). Das Deutsche Krebsforschungszentrum hatte vor dem Chemikaliengemisch gewarnt.
EU-Regeln für nikotinhaltige E-Zigaretten will Schmidt in Deutschland weitestgehend auch auf nikotinfreie E-Zigaretten anwenden: ein Abgabeverbot an Kinder und Jugendliche sowie Werbebeschränkungen. „Mein Ziel ist es, Kinder und Jugendliche vor dem Einstieg in eine potenziell tödliche Raucherkarriere zu schützen.“ Schmidt fürchtet: Wer dampft, der raucht bald auch.
Es sei genau andersherum, hört man in der Branche. Fast alle Kunden kämen von der Tabak- zur E-Zigarette. Sie wollten mit dem Rauchen aufhören. „Wir haben gar keine Lust, Nichtraucher anzufixen. Bei 18 Millionen Rauchern ist das Potenzial groß genug“, sagt Dac Sprengel, der Vorsitzende des Verbands des eZigarettenhandels. Werbeverbote jedoch entzögen vielen Händlern die Existenzgrundlage.
Sprengel sagt auch, für Jugendliche sei die E-Zigarette nicht geeignet. „Es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass es schädlich sein könnte, auch wenn wir es nicht genau wissen.“ Man dürfe dabei nur nicht den Dampf der E-Zigarette mit frischer Luft vergleichen - sondern mit Tabakrauch.
Laura Deppe steht in ihrem Laden in Kreuzberg und atmet Dampf aus. Bald wird ihr Geschäft ein Jahr alt. Wie viele folgen, hängt auch davon ab, wie die EU-Richtlinie in Deutschland umgesetzt wird. Die Frist endet im Mai 2016. Die Händlerin meint: „Nach der Sommerpause wird es Ernst.“