Das Pharma-Übernahmekarussell

Bayer/Merck, Pfizer/AstraZeneca und andere Fusionspläne: Die Branche für Arzneimittel steht vor Umbrüchen.

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Leverkusen/New York. Rund um den Globus rollt eine gewaltige Übernahmewelle durch die Pharma-Industrie. Der US-Pharmagigant Pfizer will für 106 Milliarden Dollar (77 Milliarden Euro) den britischen Rivalen AstraZeneca kaufen. Der deutsche Medikamentenhersteller Bayer greift angeblich nach der Sparte für rezeptfreie Medikamente des US-Konzerns Merck & Co. Auch anderen Pharmakonzernen wird Kaufinteresse nachgesagt. Es ist ein Milliardenpoker um die Zukunft in einer Branche, die vor enormen Herausforderungen steht.

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Denn die Pharmakonzerne sehen sich unter Druck. Die Sparbemühungen vieler Staaten im Gesundheitswesen — etwa in den USA oder Europa — drücken auf die Gewinne. Gleichzeitig macht den Konzernen der Ablauf von Patenten für wichtige Produkte zu schaffen. Außerdem erweist sich die Entwicklung neuer Medikamente als immer schwieriger.

Immer häufiger suchen die Konzerne daher ihr Glück in Zukäufen. Der Viagra-Hersteller Pfizer etwa hat seit dem Jahr 2000 gut 244 Milliarden Dollar in Übernahmen investiert. Pfizer steht unter besonderem Druck, denn der Patentschutz für den einstigen Kassenschlager des Konzerns, den Blutfettsenker Lipitor, ist ausgelaufen, und auch beim Potenzmittel Viagra ist in wichtigen Märkten inzwischen der Weg für preisgünstigere Nachahmerpräparate frei.

Vergleichsweise bescheiden fielen dagegen zuletzt die Zukäufe von Bayer aus. Größter Brocken war 2006 der Kauf von Schering für 17 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr übernahmen die Leverkusener bereits den norwegischen Krebsspezialisten Algeta. Gesamtwert der Transaktion: rund 2,1 Milliarden Euro. Der Griff nach der Sparte für rezeptfreie Medikamente von Merck & Co könnte für Bayer sinnvoll sein. Rezeptfreie Mittel sind derzeit in der Gesundheitsbranche begehrt. Sie gelten als wichtiger Stabilisator mit geringeren Risiken im Vergleich zum klassischen Pharmageschäft. Bayer-Chef Marijn Dekkers hat erst kürzlich bekräftigt, dass der Konzern die Nummer eins in diesem Bereich werden wolle. Ein wichtiger Pharma-Standort von Bayer ist Wuppertal.

Beflügelt werden die Übernahmefantasien derzeit durch die gut gefüllten Kassen der Unternehmen. In der Finanzkrise haben auch die Pharmakonzerne ihr Geld gehortet. Nun sitzt etwa der US-Konzern Pfizer auf einem Barbestand von 70 Milliarden Dollar außerhalb der USA. Bei einer Rückführung in die USA würden hohe Steuern anfallen und Begehrlichkeiten bei den Investoren geweckt. Eine Übernahme wird so auch aus steuerlichen Gründen für manchen Konzern lukrativ.

Risikolos sind derartige Zukäufe allerdings nicht. Denn Großübernahmen haben sich in der Vergangenheit auch in der Pharmabranche nicht immer bewährt. Der Strom neuer Medikamente erhöhte sich nur selten dauerhaft.