Des einen Freud, des anderen Leid
Die gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen führen zu sinkenden Preisen. Die Bauern schlagen Alarm.
Von Martina Herzog
Als Antwort auf die Sanktionen von EU und USA in der Ukraine-Krise hat Russland eigene Strafmaßnahmen gegen den Westen erlassen. So wurde für ein Jahr die Einfuhr von vielen Lebensmitteln gestoppt - darunter Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Milchprodukte. Dadurch landen mehr Produkte auf dem europäischen Markt, was zwar die Preise für die Verbraucher drückt, die Erzeuger aber belastet. Die wichtigsten Fragen im Überblick:
Der europäischen Agrarbranche ist mit Russland nach den USA ihr zweitwichtigstes Exportziel weggebrochen. Ein Zehntel aller landwirtschaftlichen Güter gingen bisher nach Russland. Rund 40 Prozent davon fallen nach EU-Berechnungen unter den russischen Importstopp. Der Wert dieser Güter beläuft sich nach Zahlen aus dem Vorjahr auf 5,1 Milliarden Euro. Damit sind auf einen Schlag viel mehr Lebensmittel auf dem europäischen Markt. „Das Verbot hat bereits einen unmittelbaren negativen Einfluss auf die Preise in einigen Bereichen“, schreibt die EU-Kommission in einer internen Analyse.
Sehr wahrscheinlich — zumindest bei einigen Produkten. Hans-Christoph Behr, Bereichsleiter Gartenbau bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), berichtet etwa mit Blick auf den Apfelmarkt: „Die Erzeugerpreise sind schon ziemlich unter Druck.“ Auch bei Milchprodukten habe das Russland-Embargo den ohnehin vorhandenen Preisdruck weiter verstärkt, heißt es beim AMI. Die Butterpreise in Deutschland sind bereits ins Rutschen geraten. Und andere Milchprodukte wie Joghurt oder Frischmilch könnten in den nächsten Monaten folgen.
Des einen Freud, des anderen Leid: Zwar entlasten die sinkenden Preise die Kasse vieler Verbraucher, die Bauern schlagen jedoch Alarm. So warf der Deutsche Bauernverband Handelsketten vor, den Importstopp zulasten der Erzeuger auszunutzen. Auf den deutschen Bauern laste ein starker Preisdruck, argumentiert der Verband. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) wies den Vorwurf zurück.
Die EU stellt Geld bereit, um ein Überangebot auf dem europäischen Markt zu verhindern und damit Produzenten zu helfen. Hilfe gibt es für Erzeuger von leicht verderblichen Obst- und Gemüsesorten. Die Produkte werden aufgekauft, auch Entschädigungen für Ernteverzicht oder Ernteabbruch sind möglich. Milchbauern und Käsehersteller bekommen Geld für die Einlagerung von Butter, bestimmter Käsesorten und Magermilchpulver. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos beziffert den Wert der Hilfsmaßnahmen auf etwa 180 Millionen Euro.