Deutsche werden inmitten der Eurokrise immer reicher
Frankfurt/Main (dpa) - Mitten in der europäischen Schuldenkrise sind die Menschen in Deutschland so reich wie nie zuvor. Im zweiten Quartal 2012 stieg das Geldvermögen der privaten Haushalte auf die Rekordhöhe von 4811 Milliarden Euro.
Binnen Jahresfrist wuchs das Vermögen aus Bankeinlagen, Wertpapieren oder Ansprüchen gegenüber Versicherungen damit um 101,5 Milliarden Euro oder 2,2 Prozent. Das teilte die Deutsche Bundesbank am Montag in Frankfurt mit. Immobilien oder Vermögensgegenstände wie Autos oder Kunst sind in der Statistik nicht enthalten.
Das Plus zum Vorquartal fiel mit 0,2 Prozent relativ gering aus. Die Notenbank führt dies auf erhebliche Kursverluste an den Kapitalmärkten von April bis Juni zurück. Die Bundesbank bezifferte die Bewertungsverluste auf rund 30 Milliarden Euro. Seither haben sich die Börsen erholt, der deutsche Leitindex Dax liegt aktuell fast 700 Punkte höher als Ende Juni. Das dürfte den Geld-Vermögensaufbau im dritten Quartal beflügelt haben.
Die Verschuldung der privaten Haushalte nahm nach den Angaben im zweiten Quartal 2012 nur leicht zu. Per Saldo wurden Kredite von knapp 7 Milliarden Euro aufgenommen, vor allem für den Wohnungsbau, berichtete die Bundesbank: „Damit beliefen sich die gesamten Verbindlichkeiten am Quartalsende auf 1555 Milliarden Euro.“ Das Nettogeldvermögen erhöhte sich damit zum Vorquartal um 3,2 Milliarden Euro auf 3255,7 Milliarden Euro.
Das vergleichsweise kleine Plus im zweiten Quartal hat einen weiteren Grund: Besorgte Sparer schichteten ihr Geld eifrig um - sie flüchten in vermeintlich risikoarme Anlageformen, die wenig Zinsen abwerfen. Zuflüsse gab es im Wesentlichen bei Bargeld und Sichteinlagen, die per saldo um gut 25,5 Milliarden Euro aufgebaut wurden. Damit nehmen die Menschen aber künftig reale Verluste in Kauf: Die Zinsen von Tagesgeld sind derzeit sehr niedrig, und Bargeld wirft natürlich gar keine Zinsen ab. Die Folge: Die Inflation frisst das Ersparte langsam aber sicher auf.
„Verantwortlich für die derzeitige hohe Liquiditätspräferenz dürfte zum einen das historisch niedrige Zinsumfeld sein, zum anderen könnte dies auch mit der allgemeinen Unsicherheit im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Europa zusammenhängen“, erklärte die Notenbank. Auch die Ansprüche gegenüber Versicherungen stiegen erneut um knapp 12,5 Milliarden Euro. Aktien wurden in geringem Umfang von knapp 1,5 Milliarden Euro netto gekauft.
Aus anderen Anlagen zogen sich Privatanleger nach den Angaben zurück. Das gilt für Sparbriefe genauso wie für Investmentzertifikate. Festverzinsliche Wertpapiere wie Staats- oder Unternehmensanleihen wurden im Umfang von netto 2,5 Milliarden Euro verkauft. Das vierte Quartalsminus infolge sei unter anderem mit der weiterhin geringen - und teilweise sogar negativen - nominalen Rendite inländischer Staatspapiere zu erklären, betonte die Bundesbank.
Mit Ausnahme einiger krisenbedingter Dellen wie zuletzt im dritten Quartal 2011 häufen die Deutschen stetig mehr Geldvermögen an: Vor 20 Jahren hatte das Vermögen der privaten Haushalte noch einen Wert von 1926 Milliarden Euro, im zweiten Quartal 2002 waren es 3610 Milliarden Euro.