Deutsche Wirtschaft im Aufwind - Dämpfer für den Euroraum
Wiesbaden/Luxemburg (dpa) - Boomende Exporte und konsumfreudige Verbraucher treiben die deutsche Wirtschaft an - der Euroraum insgesamt musste dagegen im Frühjahr einen kleinen Dämpfer verkraften.
Euroschwäche und niedriger Ölpreis ließen bessere Konjunkturdaten erwarten. Volkswirte sehen jedoch gute Wachstumsaussichten sowohl für Deutschland als auch für die Eurozone - wenn auch mit zunehmenden Risiken.
In Deutschland stieg das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Vorquartal um 0,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Damit kommt Europas größte Volkswirtschaft nach einem Dämpfer zu Jahresbeginn besser in Fahrt.
Der schwache Euro verbilligt Waren „Made in Germany“ auf den Weltmärkten, die Exporteure sind nach dem stärksten ersten Halbjahr seit 2011 auf Rekordkurs. Verbraucher konsumieren dank niedriger Energiepreise mehr. Gebremst wurde das Wachstum, weil nach dem milden Winter Bauinvestitionen im Frühjahr schwächer ausfielen. Details zum zweiten Quartal gibt es vom Bundesamt am 25. August.
Frankreich konnte nicht von den günstigen Rahmenbedingungen profitieren: In der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft stagnierte die Wirtschaftsleistung von April bis Juni - nachdem Frankreich zum Jahresaufakt noch mit - revidierten - 0,7 Prozent Plus geglänzt hatte. Das Land kämpft mit hoher Arbeitslosigkeit und Reformstau.
Auch die italienische Wirtschaft wuchs mit 0,2 Prozent im zweiten Vierteljahr etwas schwächer als erwartet. Spanien kam unterdessen auf 1,0 Prozent Wachstum - allerdings hat das Land nach einem tiefen Einbruch seiner Wirtschaft einiges aufzuholen.
Im Euroraum insgesamt schwächte sich das Wachstum nach Angaben von Eurostat im Quartalsvergleich von 0,4 auf 0,3 Prozent ab. Das sei nicht bedenklich, meint der Euro-Chefvolkswirt der Unicredit, Marco Valli: Die meisten Konjunkturdaten versprächen eine gute Entwicklung. Er glaube nicht, dass die Turbulenzen in China oder die schwelende Griechenland-Krise den Aufschwung wirklich bedrohen könnten. „Die aktuell aufgeregte Diskussion scheint vollkommen zu übersehen, dass sich die Eurozone erholt“, betonte Helaba-Ökonom Stefan Mütze zu China.
Grundsätzlich bleibe der Währungsraum mit seinen 19 Mitgliedern auf Erholungskurs, meinen auch die Ökonomen der Allianz. Allerdings „werden die Kernländer einen Gang hochschalten müssen, denn allein der wirtschaftliche Aufholprozess in den ehemaligen Krisenländern kann eine Fortsetzung der wirtschaftlichen Erholung im Euroraum nicht garantieren“, gab Allianz-Expertin Katharina Utermöhl zu bedenken.
Volkswirte, die für Deutschland sogar mit 0,5 Prozent im zweiten Quartal Wachstum gerechnet hatten, warnen vor Risiken auch für die deutsche Wirtschaft: „Die wirtschaftlichen Probleme Chinas haben die Abwärtsrisiken für die deutsche Wirtschaft erhöht“, schreibt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Thomas Harms, Partner beim Beratungsunternehmen EY, bekräftigt: „Die Wachstumsdelle in China werden einige deutsche Konzerne, die dort sehr stark engagiert sind, schmerzlich spüren.“ Vor allem für Autohersteller und Maschinenbauer ist China ein wichtiger Markt.
Derzeit profitieren Deutschlands 30 Top-Konzerne aber vor allem vom schwachen Euro: Der Umsatz der Dax-Unternehmen stieg von April bis Juni zusammengerechnet um elf Prozent auf 335 Milliarden Euro - ein Rekordwert in einem zweiten Quartal, wie eine EY-Analyse ergab.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hält derweil an seiner Prognose von 1,8 Prozent Wachstum für die deutsche Wirtschaft 2015 fest. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben relativierte allerdings: „Ein Gutteil hiervon ist dem „Doping“ durch geringe Zinsen und Ölpreise sowie dem niedrigen Wechselkurs zu verdanken. Doch darauf können wir nicht dauerhaft setzen.“ Im Gesamtjahr 2014 hatte die deutsche Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent zugelegt.
Zum Jahresauftakt war der deutsche Konjunkturmotor etwas ins Stottern geraten: Nach einem starken Schlussquartal 2014 mit - leicht nach unten korrigierten - 0,6 Prozent Wachstum gab es in den ersten drei Monaten 2015 ein deutlich geringeres Plus von 0,3 Prozent.
Im Vergleich mit dem jeweiligen Vorjahreszeitraum erhöhte sich das Wirtschaftswachstum um 1,6 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 1,2 Prozent (Euroraum) - nach 1,2 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 1,0 Prozent (Euroraum) im ersten Quartal 2015.