Deutsche Wirtschaft schrammt an Rezession vorbei
Wiesbaden/Luxemburg (dpa) - Die Krisen in aller Welt lähmen die deutsche Wirtschaft. Das bremst auch die Eurozone insgesamt. Immerhin überrascht Frankreich positiv, während Griechenland so stark wächst wie kein anderes Euroland.
Rezessionsängste scheinen derzeit unbegründet.
Deutschland fällt vorerst als Konjunkturmotor Europas aus. Im dritten Quartal wuchs die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt nur um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Damit schrammte Europas größte Volkswirtschaft haarscharf an einer Rezession vorbei.
Deutlich rasanter entwickelte sich die Konjunktur im einstigen Krisenland Spanien, bei Sorgenkind Frankreich und vor allem in Griechenland: Hellas steigerte sein Bruttoinlandsprodukt (BIP) überraschend deutlich und wuchs im Sommer so kräftig wie kein anderes Land der Eurozone. „Insgesamt zeigen die Daten, dass die Sorgen vor einem kurzfristig stärkeren Konjunktureinbruch im Euroraum übertrieben waren“, sagte Johannes Mayr von der BayernLB.
Denn im dritten Quartal kam die Wirtschaft in der Eurozone etwas stärker in Schwung als erwartet: Das BIP legte im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 Prozent zu, wir das Europäische Statistikamt Eurostat am Freitag nach einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten nur mit 0,1 Prozent gerechnet.
Für Experte Christoph Weil von der Commerzbank zerstreut dies die in Europa zwischenzeitlich aufgekommenen Rezessionsängste endgültig. „Doch wer nun auf einen nachhaltigen Aufschwung im Euroraum hofft, dürfte enttäuscht werden. Die Euro-Wirtschaft wird sich auch in den kommenden Quartalen nur quälend langsam erholen“, sagte Weil.
Das liegt auch an der aktuellen Schwäche Deutschlands. Nur die Kauflust der Verbraucher hat die hiesige Wirtschaft vor der Rezession bewahrt: Im Frühjahr war die Wirtschaftsleistung nach korrigierten Zahlen geringfügig um 0,1 (statt bisher angenommen: 0,2) Prozent zum Auftaktquartal gesunken. Wäre das BIP auch von Juli bis September geschrumpft, hätten Volkswirte von einer leichten Rezession gesprochen.
Insgesamt habe sich die deutsche Wirtschaft in einem schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeld aber als stabil erwiesen, erklärten die Statistiker. Positive Impulse kamen vor allem von den privaten Haushalten, die ihre Konsumausgaben kräftig erhöhten: Wegen der extrem niedrigen Zinsen geben die Menschen ihr Geld lieber aus, als es auf die hohe Kante zu legen und real Verluste einzufahren.
Auch der Außenhandel schob die Konjunktur endlich wieder an. Ein Grund dafür dürfte auch der zum Dollar schwächere Euro sein, der deutsche Produkte auf den Weltmärkten billiger macht.
Hingegen bremsen die Investitionen das Wachstum. Vor allem in Ausrüstungen wie Maschinen oder Fahrzeuge wurde erheblich weniger investiert als im Vorquartal, erklärten die Statistiker. Hintergrund ist die seit dem Start der Russland-Ukraine-Krise gestiegene Verunsicherung, betonte Christian Schulz von der Berenberg Bank: „Die Unternehmen haben Investitionspläne zurückgestellt. Ohne diesen Einbruch hätte das deutsche Wachstum viel stärker ausfallen können.“
Die meisten Experten gehen davon aus, dass die „Wachstumsdelle“ noch mindestens bis zum Jahresende dauern dürfte. „Wichtigste Gründe sind die Unsicherheit aufgrund der zahlreichen geopolitischen Krisen, vor allem aber die immer wieder aufs Neue enttäuschten Hoffnungen auf einen Aufschwung für Europa“, sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
Immerhin sorgte Deutschlands wichtiger Handelspartner Frankreich für eine positive Überraschung: Hohe Ausgaben der Regierung bescherten der zweitgrößten Wirtschaft der Eurozone mit einem Plus von 0,3 Prozent das erste Quartalswachstum in diesem Jahr. Auch das krisengeplagte Griechenland lieferte einen Lichtblick: Von Juli bis August stieg das BIP um 0,7 Prozent zum Vorquartal. Damit dürfte Griechenland die sechs Jahre andauernde Phase mit starken Konjunktureinbrüchen überwunden haben.
Während auch Spanien mit einem BIP-Plus von 0,5 Prozent auf Kurs bleibt, steckt Italien weiter in der Rezession. Die italienische Wirtschaft war zuletzt in der ersten Hälfte des Jahres 2011 nennenswert gewachsen.