Deutsche Wirtschaft trotzt Ukraine-Krise
München (dpa) - Die große Zuversicht deutscher Firmen untermauert die Hoffnung auf ein deutliches Wirtschaftswachstum in diesem Jahr.
Der Krise in der Ukraine zum Trotz verbesserte sich die Laune in den Chefetagen der Unternehmen im April. Die Stimmungsaufhellung überraschte viele Volkswirte, die angesichts der sich verschärfenden Lage mit einem Dämpfer beim Ifo-Geschäftsklimaindex gerechnet hatten. Stattdessen stieg das wichtige Stimmungsbarometer nach einem Rückgang im März nun wieder von 110,7 auf 111,2 Punkte.
„Die Unternehmen schauen zudem wieder zuversichtlicher auf die weitere Geschäftsentwicklung. Trotz der Krise in der Ukraine setzt sich die positive Grundstimmung durch“, sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Donnerstag in München. „Die bisher schon gute Geschäftslage hat sich weiter leicht verbessert.“ Wichtiger noch: die Unternehmen blicken deutlich zuversichtlicher als noch im März auf die Entwicklung in den kommenden Monaten. Allzu große Sorgen machen sich die befragten Unternehmen derzeit nicht.
„Stattdessen vertrauen die Unternehmenslenker auf eine Fortsetzung des Konjunkturaufschwungs in Deutschland“, schrieb der Chefvolkswirt der DZ Bank, Michael Holstein. Der Ifo-Index zeige, dass sich die Konjunkturerholung auch nach dem sehr starken ersten Quartal fortsetzen und nicht einknicken werde. „Die gut gefüllten Auftragsbücher sorgen für Optimismus, besonders auch im Exportgeschäft.“ Eine weitere Eskalation des Konflikts oder scharfe Sanktionen gegen Russland könnten das Bild aber rasch wieder ändern.
Bisher ist davon nichts zu spüren. „Die deutschen Unternehmen stecken die Krise in der Ukraine gut weg. Selbst die für deutsche Verhältnisse relativ hohen Tariflohnabschlüsse scheinen kein Unbehagen hervorzurufen“, schreibt VP-Bank-Chefökonom, Thomas Gitzel. „Die deutschen Unternehmen strotzen derzeit also vor Kraft.“ Ralph Solveen von der Commerzbank ergänzt: „Dies spricht dafür, dass die deutsche Wirtschaft auch im zweiten Quartal spürbar zulegen wird.“
Auch der Chefvolkswirt der KfW-Bank, Jörg Zeuner, sieht einen schwungvollen Start für die Wirtschaft ins zweite Quartal: „Der gestiegene Ifo-Index ist eine freudige Überraschung - insbesondere das deutliche Plus bei den Erwartungen.“ Er rechne nun damit, dass beim Wirtschaftswachstum in Deutschland in diesem Jahr eine Zwei vor dem Komma möglich sei. „Außenwirtschaftlich erweisen sich die USA ein weiteres Mal als Zugpferd“, sagte Zeuner.
Volkswirte hatten auch im April mit einem Rückgang beim Ifo-Index gerechnet. So waren zuletzt die Konjunkturerwartungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) leicht gefallen. Wirtschaftsforscher hatten vor allem die Unsicherheiten wegen der Krise in der Ukraine als Ursache genannt.
Dazu kommen Sorgen um die Wirtschaft in China. Das Reich der Mitte ist für viele deutsche Firmen inzwischen ein wichtiger, für manche sogar der wichtigste Exportmarkt. Zeuner beruhigt: „China geht sehr bedacht an den Umbau seiner Volkswirtschaft. Das verdient Vertrauen.“
Der Ifo-Index hält sich bereits seit März 2010 über der Marke von 100 Punkten, in den schwersten Zeiten der Finanzkrise war er weit darunter gefallen. Vor dem Minus im vergangenen Monat hatte es den letzten kleinen Rückgang im Oktober 2013 gegeben. Allerdings sprechen Volkswirte erst nach drei Änderungen in Folge von einer möglichen Trendwende. Der Ifo-Index wird monatlich durch die Befragung von rund 7000 Unternehmen ermittelt.