Die Kosten der Energie-Wende
Vom Verbraucher zu zahlende Umlage könnte von derzeit knapp 3,6 auf fünf Cent je Kilowattstunde steigen.
Berlin. Das sommerliche Wetter hat Deutschland zu Pfingsten zeitweise einen neuen Rekord bei der Sonnenstromproduktion beschert. Photovoltaikanlagen lieferten erstmals eine Gesamtleistung von mehr als 20 000 Megawatt. „Das entspricht der Leistung von mehr als 20 Atomkraftwerken“, sagte der Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien, Norbert Allnoch. Allerdings: Während sich der Solarrekord auf wenige Stunden am Mittag bezieht, sind Kern- oder Kohlekraftwerke grundlastfähig.
Doch der Rekord hat auch eine Kehrseite: Verbraucherschützer erwarten wegen des Zubaus von Solaranlagen und der somit steigenden Förderkosten einen massiven Anstieg der Strompreise. „Es gibt Indizien, dass die Umlage bei fünf Cent je Kilowattstunde liegen dürfte“, sagte der Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, Holger Krawinkel. Mit der im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegten Umlage zahlen die Verbraucher über den Strompreis die Förderung von Energie aus Sonne, Biomasse und Wind. Derzeit liegt die Umlage bei 3,59 Cent je Kilowattstunde.
Auch in der schwarz-gelben Koalition wächst die Sorge, dass die Kosten der Energie-Wende aus dem Ruder laufen. „Es wird teurer für den Bürger“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle der „Welt“. „Wir brauchen über 4000 Kilometer neue Stromleitungen, wir brauchen Gaskraftwerke. Schon jetzt merken die Leute, dass die Stromrechnung nach oben geht.“
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) war zu Pfingsten bemüht, Spekulationen im Keim zu ersticken, angesichts der Probleme könne die Regierung den Fahrplan zum Atomausstieg bis 2022 infrage stellen.
„Die Kernenergie in Deutschland ist Geschichte“, sagte er. Altmaier betonte, der Ausstieg sei beschlossen. „Es wird kein Zurück geben.“ Die Akzeptanz für die Kernenergie sei in Deutschland nach Fukushima nicht mehr vorhanden. „Deutschland kann als erste Volkswirtschaft in Europa die Energiewende schaffen.“
Mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht Altmaier heute die Bundesnetzagentur in Bonn, um sich über Probleme beim schleppenden Netzausbau zu informieren. In einer Videobotschaft räumte Merkel ein, dass es gerade beim Bau der großen Überlandleitungen Probleme gebe. „Hier sind wir an vielen Projekten im Rückstand.“
Nach Schätzungen der Deutschen Energie-Agentur sind 4000 bis 4500 Kilometer an Stromautobahnen notwendig, um Windstrom aus dem Norden Deutschlands in den Süden zu bekommen. Hinzu kommen tausende Kilometer auf der Verteilebene.
Durch den Neubau an Leitungen drohen dabei auch höhere Netzentgelte, die den Strompreis zusätzlich treiben könnten. Brüderle sprach in der „Welt am Sonntag“ von einem ehrgeizigen Ziel, den Ökostromanteil bis zur Abschaltung der letzten Atommeiler im Jahr 2022 auf rund 40 Prozent zu steigern. „Wir werden eine ganze Reihe von Gas- und Kohlekraftwerken bauen müssen, möglicherweise mehr, als wir zunächst dachten“, sagte er.