Diesel-Skandal kostet VW Gewinnprognose
Wolfsburg (dpa) - Die Affäre um Manipulationen bei Abgasmessungen in den USA zieht immer weitere Kreise und zwingt Europas größten Autobauer Volkswagen zu einer Gewinnwarnung.
Im dritten Quartal würden deshalb rund 6,5 Milliarden Euro „ergebniswirksam zurückgestellt“, teilte VW am Dienstag in Wolfsburg mit - sie werden sich also negativ auf den Gewinn auswirken.
Ein VW-Sprecher erklärte, dass es sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme handle. Interne Prüfungen hätten ergeben, dass es die betreffende Steuerungssoftware - sie soll die Abgaswerte im Testbetrieb gegenüber dem Straßenbetrieb künstlich schönen - auch in anderen Diesel-Autos des Konzerns gebe. Betroffen sind weltweit demnach etwa elf Millionen Autos. Am Mittwoch will sich der innerste Zirkel des Aufsichtsrats bei einem Krisentreffen mit dem Thema beschäftigten, verlautete aus VW-Kreisen.
Nach der Gewinnwarnung rutschten die Aktien der Wolfsburger an der Frankfurter Börse in der Spitze um neuerliche 23 Prozent auf das tiefste Niveau seit Oktober 2011 ab.
Wörtlich heißt es in einer Mitteilung der Wolfsburger: „Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt.“ Der Konzern stehe in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem deutschen Kraftfahrtbundesamt, um diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen.
Die aktuell in der EU angebotenen Neuwagen des Zwölf-Marken-Konzerns mit Dieselantrieb nach Euro 6 erfüllten gesetzliche Anforderungen und Umweltnormen, hieß es. „Die beanstandete Software beeinflusst weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen“, erklärte VW.
Die EU-Kommission will mit den 28 Mitgliedstaaten über mögliche Schritte beraten. „Wir müssen ganz sicher sein, dass die (Auto-)Industrie die Grenzwerte für Emissionen einhält“, sagte eine Sprecherin der Behörde in Brüssel. Es sei zur Zeit noch verfrüht, Schlussfolgerungen zu ziehen. „Ich möchte unterstreichen, dass wir das sehr ernst nehmen.“
Die US-Umweltbehörde EPA wirft VW Manipulation von Schadstoffmessungen bei Dieselautos vor. Neben einem Imageverlust drohen Volkswagen allein in den Vereinigten Staaten Strafzahlungen von bis zu 18 Milliarden Dollar, Rückrufkosten, strafrechtliche Folgen sowie mögliche Regressansprüche enttäuschter Kunden und Aktionäre. Für die entsprechenden Modelle erließ der Konzern dort einen Verkaufsstopp. Ein Ausschuss des US-Kongresses wird sich mit dem Thema befassen. Auch in anderen Absatzmärkten wird Aufklärung gefordert.
In Deutschland sind die Umweltbehörden ebenfalls alarmiert. „Eine solche Abgas-Betrügerei täuscht ja nicht nur die Kunden“, sagte die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, laut Mitteilung. „Sie führt auch zu deutlich schlechterer Luft. Das gefährdet die Gesundheit.“ Dass die Software wohl bewusst so angelegt worden sei, dass die Messungen geschönte Ergebnisse lieferten, „ist etwas, das mehr als Verwunderung auslöst“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).
Krautzberger betonte, ihre Behörde weise bereits seit Ende der 1990er Jahre darauf hin, „dass auch in Deutschland die realen Schadstoff-Emissionen höher sind als die Typ-Prüfwerte, die auf dem Rollenprüfstand ermittelt wurden. Damit muss Schluss sein.“
Die Umweltorganisation Greenpeace äußerte scharfe Kritik an der Autobranche insgesamt: „Der VW-Skandal zeigt, dass die Autoindustrie inzwischen sogar kriminelle Energie an den Tag legt, um die Gesundheits- und Umweltrisiken ihrer Fahrzeuge zu kaschieren“, sagte Verkehrsexperte Daniel Moser. Stickoxide seien „ein Riesenproblem“.
Die Wolfsburger haben schon ein Fehlverhalten eingeräumt und versprochen, mit der EPA zu kooperieren. Vorstandschef Martin Winterkorn hat eine rasche Aufklärung zugesagt.
Der VW-Konzern hatte im ersten Halbjahr einen Umsatz von 108,8 Milliarden Euro verbucht, Ende Juli aber seine Verkaufsprognose fürs laufende Jahr wegen der Flaute bei Verkäufen in China und Einbrüchen auf weiteren Absatzmärkten nach unten revidiert. Die Pkw-Kernmarke um Golf und Passat steigerte ihren Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf gut 1,4 Milliarden Euro, im Halbjahresvergleich ein Plus von 41 Prozent. Für sie greift seit einem Jahr ein Sparprogramm.