Drei Fragen an...Michael Hüther (51),Ökonom
Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) macht nach Überzeugung von Michael Hüther (Foto) nur noch Geldpolitik für die Krisenländer im Süden Europas.
Herr Hüther, die EZB soll Geldpolitik für den gesamten Euroraum machen. Trifft das noch zu?
Michael Hüther: Dieser Zinsschritt und auch schon vorherige sind Maßnahmen, die nicht für den gesamten Euroraum angemessen sind. Von daher ist es eine Geldpolitik, die ausschließlich von den Krisenländern im Süden her gedacht ist. Es kann auf Dauer nicht gut gehen, wenn man den Rest vergisst. Hier ist der Bundesbank-Präsident gefordert.
Zahlen die deutschen Sparer die Zeche?
Hüther: Was wir erleben, ist eine finanzielle Repression. Die Verzinsung liegt bei uns unterhalb der Inflationsrate oder knapp dabei, das heißt, die Sparer werden in erhebliche Probleme gebracht. Diejenigen, die für das Alter vorsorgen, müssen nachschießen, um das Sicherungsniveau zu erreichen.
Man kann vorübergehend solche Zinsniveaus akzeptieren, aber jetzt wird deutlich, dass es noch ein länger währendes Phänomen ist. Dass wir gar nicht erkennen, wann die Korrektur eingeleitet wird. Und nach allem, was wir sehen, wird sie mit Sicherheit nicht im nächsten Jahr eingeleitet. Das ist für alleproblematisch. Insofern gibt es eine Art Anlagenotstand.
Wie hoch müsste der Leitzins für Deutschland sein?
Hüther: Wenn man den Wachstumstrend als grobe Indikation nimmt, der bei 1,5 Prozent real in den nächsten drei bis vier Jahren liegt plus Inflationstrend, dann beträgt der neutrale Zins eher drei bis 3,5 als 0,25 Prozent. Insofern ist dieses Zinsniveau für Mitteleuropa extrem fehljustiert. Und das ist, was so schmerzt: Es löst die Probleme im Süden nicht — und verursacht hier Probleme. Deswegen habe ich den Zinsschritt nicht erwartet. Und ich verstehe ihn auch nicht. Foto: dpa