Dresden und Gagfah wohl vor langem Rechtsstreit
Luxemburg/Dresden (dpa) - Dem Immobilienkonzern Gagfah und der Stadt Dresden steht eine langwierige juristische Auseinandersetzung um den Schutz von Mieterrechten bevor. Schon in der kommenden Woche will die Verwaltung Klage über maximal 1,06 Milliarden Euro gegen das Unternehmen einreichen.
Die Stadt Dresden sieht sie Verträge zu Wohnungsverkäufen aus dem Jahr 2006 verletzt. So hat es der Stadtrat am späten Donnerstagabend beschlossen. Die Gagfah tritt dem Verfahren nach eigenem Bekunden „gelassen“ entgegen. Das Unternehmen zeigte sich am Freitag überzeugt, die Verpflichtungen aus dem Privatisierungsvertrag eingehalten zu haben und kündigte an, sich in vollem Umfang gegen die Klage zu verteidigen. Die Frist zur Einreichung läuft nach Auskunft von Stadträten am 31. März ab.
Der Streit dreht sich um die sogenannte Sozialcharta, die 2006 beim Verkauf des kommunalen Wohnungsunternehmens Woba vereinbart worden war. Dresden hatte damals rund 48 000 Wohnungen an den Immobilienkonzern verkauft und war mit einem Schlag schuldenfrei. Dabei war unter anderem vereinbart worden, dass die Gagfah immer zuerst den Woba-Mietern ein Kaufangebot vorlegt, bevor sie deren Wohnungen an Dritte veräußert.
Werden ganze Häuser verkauft, sollte diese Pflicht inklusive der vereinbarten Strafen an die neuen Eigentümer weitergegeben werden. „Die Stadt hat festgestellt, dass die Gagfah in einer Vielzahl von Verkaufsfällen gegen diese Verpflichtungen verstoßen hat“, teilte die Stadtverwaltung nach der Entscheidung des Rates mit.
Die dafür fälligen Vertragsstrafen summieren sich theoretisch auf bis zu 1,06 Milliarden Euro. Um welchen Betrag es am Ende wirklich gehen wird, ist allerdings noch unklar - was auch daran liegt, dass die Stadt den kompletten Fall bislang hinter verschlossenen Türen behandelt und kaum etwas nach außen gegeben hat.
Die Gagfah hatte die Vorwürfe bislang immer zurückgewiesen und von unterschiedlichen Auffassungen über den Vertragstext gesprochen. „Bislang hat die Stadt Dresden gegenüber der Gagfah weder die Grundlage für ihre Klage konkretisiert noch die Höhe der von ihr behaupteten Ansprüche mitgeteilt“, betonte das Unternehmen am Freitag.
Die vertraglich festgelegte Anzahl von Wohneinheiten sei noch im Bestand, die durchschnittliche Mieterhöhung liege unter dem vertraglich festgelegten Richtwert und die Aufwendungen für Instandhaltung sogar über dem verabredeten Betrag. Beim Verkauf von einzelnen Wohnungen sei zudem der 15-prozentige Abschlag für Mieter eingehalten worden. Man sei der festen Überzeugung, dass die eigene Position auch vor Gericht Bestand haben werde, hieß es.
Aus dem Stadtrat hieß es, die Gagfah habe vorab dennoch einige Angebote als Verhandlungsbasis vorgelegt, um eine Klage zu verhindern. Zudem soll das Unternehmen angeboten haben, die Frist freiwillig über den 31. März hinaus zu verlängern, um mehr Zeit für Gespräche zu gewinnen. Das sei am Donnerstagabend hinter verschlossenen Türen auch diskutiert, am Ende dann aber verworfen worden, betonten Ratsmitglieder.
Die Aktien der Gagfah gaben am Freitag weiter deutlich nach. Am Nachmittag standen die Titel des Immobilienkonzerns 3,9 Prozent im Minus bei 5,828 Euro. Börsianer betonten die Unsicherheit darüber, wie weit Dresden die mögliche Vertragsstrafe ausschöpfen werde, und halten eine außergerichtliche Einigung für wahrscheinlich. Die ist auch nach der Entscheidung des Stadtrats noch möglich.
Der Deutsche Mieterbund in Sachsen unterstützt das Votum des Dresdner Rates. „Wir haben Verständnis für die Entscheidung der Stadt“, sagte Sprecherin Petra Becker am Freitag. Es gebe Verträge und daran müssten sich alle Beteiligten halten. Um die Folgen des Verfahrens - eine Insolvenz ihres Vermieters zum Beispiel - müssten die Woba-Mieter sich keine Sorgen machen. „Kein Mieter braucht im Fall einer Insolvenz Angst zu haben, in ein tiefes, schwarzes Loch zu fallen oder auf der Straße zu stehen“, erklärte Becker. Es gebe in Deutschland sehr gute Gesetze zum Mietrecht, die im Falle einer Insolvenz greifen würden.