Drohende Staatspleite: Argentinien geht auf Hedgefonds zu
New York (dpa) - Argentinien hat in letzter Minute versucht, die drohende Staatspleite abzuwenden.
Eine Delegation unter Führung von Wirtschaftsminister Axel Kicillof rang mit den gegnerischen Hedgefonds weiter um einen Kompromiss, nachdem es in der Nacht zum Mittwoch erstmals überhaupt zu einem Treffen der Streitparteien gekommen war. Bislang schien die Lage im Dauerclinch um alte Staatsschulden aussichtslos, doch zuletzt stieg die Zuversicht, noch einen Ausweg zu finden.
Um Mitternacht US-Ostküstenzeit (6 Uhr Donnerstagmorgen MESZ) soll die Frist ablaufen, die das hochverschuldete Land hat, um eine Lösung im Streit mit den gegnerischen Hedgefonds zu finden. Sonst dürften Ratingagenturen einen Zahlungsausfall Argentiniens erklären. Kurz vor Ablauf der Frist schienen die verhärteten Fronten aber wohl zu bröckeln. Ein möglicher Ausweg wurde laut Medienberichten von argentinischen Privatbanken ins Spiel gebracht, die sich bereit erklärt haben sollen, für die strittigen Staatsanleihen zu garantieren.
Zuvor hatte es bereits eine Annäherung gegeben: Die Vertreter der Kontrahenten hätten sich „für mehrere Stunden in meinem Büro und in meiner Anwesenheit“ getroffen, erklärte der gerichtlich bestellte Schlichter Daniel Pollack kurz nach Mitternacht in New York. „Dies waren die ersten Gespräche von Angesicht zu Angesicht zwischen den Parteien“, teilte er mit. „Es hat ein offener Austausch von Meinungen und Bedenken stattgefunden.“
Der Streit tobt seit Jahren. Hintergrund ist die spektakuläre Staatspleite von 2001. Argentinien handelte damals mit dem Großteil seiner Gläubigern einen Teilerlass seiner Schulden aus. Eine Gruppe von Hedgefonds kaufte jedoch billig alte Anleihen auf und verlangt bis heute die vollständige Auszahlung. Der Streit wird vor einem US-Gericht ausgetragen, weil Argentinien seine Anleihen nach US-Recht ausgegeben hatte, um diese attraktiver für Investoren zu machen. Zudem läuft die Auszahlung über eine New Yorker Bank.
Der New Yorker Richter Thomas Griesa hatte sich auf die Seite der klagenden Hedgefonds gestellt. Sein Richterspruch blockiert Zahlungen an andere Gläubiger, solange Argentinien nicht die Forderungen der Hedgefonds erfüllt. Es geht um 1,5 Milliarden Dollar an Schulden und aufgelaufenen Zinsen. Die Regierung in Buenos Aires will jedoch nicht nachgeben, weil sie fürchtet, dass dann auch andere Gläubiger auf der vollständigen Begleichung alter Schulden bestehen würden. In den Verträgen zur damaligen Umschuldung existiert eine entsprechende Klausel (Rights Upon Future Offers oder RUFO).
Die RUFO-Klausel läuft allerdings zum Jahresende aus und könnte laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ bis dahin möglicherweise durch einen Trick ausgehebelt werden: So soll Argentinien bei den Verhandlungen mit einem Vorschlag des Bankenverbands ADEBA aufgewartet sein, einen Garantiefonds einzurichten, der zumindest einen Teil der Streitsumme abdecken würde. Dadurch würde das Geld formal nicht vom argentinischen Staat kommen; so könnte die Klausel vielleicht umgangen werden.
Die argentinischen Privatbanken haben ein starkes Eigeninteresse an einer Lösung, denn sie halten selbst in großem Stil Staatsanleihen, die bei einer Pleite drastisch im Wert sinken würden. Ob die Hedgefonds sich auf einen solchen Deal einlassen würden, blieb aber zunächst unklar. „Das Risiko eines Zahlungsausfalls ist weiter hoch“, kommentierte Experte Carlos Caicedo vom Analystenhaus IHS.
An den Finanzmärkten stieg bis zum Mittwochabend dennoch die Hoffnung auf eine Einigung. Die Kurse argentinischer Staatsanleihen kletterten zwischenzeitlich sogar auf die höchsten Stände seit drei Jahren. „Es scheint eine Lösung auf dem Tisch zu liegen, sie müssen sie nur noch verkünden“, zeigte sich ein Händler in New York zuversichtlich. Der argentinische Wirtschaftsminister Kicillof könne den Deal rasch besiegeln.
Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner bekräftigte unmittelbar vor dem drohenden technischen Zahlungsausfall erneut die volle Bereitschaft, die Forderungen aller Gläubiger zu bedienen. Allerdings seien dafür „gerechte, ausgeglichene, legale und nachhaltige“ Bedingungen nötig, betonte sie Dienstag (Ortszeit) beim Gipfel des südamerikanischen Wirtschaftsblocks Mercosur in Caracas.