Druck auf Amazon wächst
Bonn/Nürnberg/Berlin (dpa) - Der Internet-Händler Amazon gerät in Deutschland immer stärker unter Druck - nicht nur wegen des Umgangs mit Leiharbeitern. Das Bundeskartellamt kündigte am Mittwoch an, die Rechtmäßigkeit von Preisauflagen für Händler zu prüfen, die Waren über Amazon anbieten.
Die Untersuchung stehe aber nicht im Zusammenhang mit der Diskussion um die Behandlung von Saisonarbeitern. Die Kritik an Amazon hielt an. Der Drogeriekonzern dm kündigte an, die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Gewerkschaft Verdi warf dem Unternehmen mangelndes Verantwortungsbewusstsein vor. Man habe die Verantwortung mit der Trennung von zwei Dienstleistern lediglich abgeschoben, sagte der Gewerkschaftssekretär Heiner Reimann dem hessischen Radiosender „hr-info“. Das Unternehmen erklärte, nur in absoluten Spitzenzeiten werde mit Zeitarbeitsfirmen zusammengearbeitet. In den deutschen Amazon-Logistikzentren seien rund 8000 Menschen mit einem festen Vertrag tätig.
Unterdessen sind sich Koalition und Opposition im Bundestag über die Konsequenzen uneins. Redner von Union und FDP sehen in den Vorgängen einen zwar skandalösen Einzelfall, lobten aber die von der Regierung sofort eingeleitete Überprüfung. Die Leiharbeitsbranche dürfe nicht unter Generalverdacht gestellt werden. SPD, Linke und Grüne warfen der Regierung dagegen vor, sie sei nicht bereit, Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wieder herzustellen. Über die Vorgänge bei Amazon - die parteiübergreifend verurteilt wurden - diskutierten die Abgeordneten am Mittwoch im Bundestag in einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde.
Der Drogeriemarktkonzern dm erklärte, die Zusammenarbeit mit Amazon genauer zu betrachten. „Wir prüfen für alle unsere Kooperationspartner immer wieder, wie die Kooperation von unserem eigenen Anspruch her einzuschätzen bzw. gegebenenfalls kritisch zu hinterfragen ist“, sagte dm-Chef Erich Harsch nach Angaben des Konzerns. Der Konzern habe „die Vorwürfe sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen“, sagte Harsch weiter. „Selbstverständlich werden wir mit Amazon darüber sprechen und darum bitten, die eigenen Erkenntnisse und Haltungen deutlich zu machen.“
Der Online-Händler Amazon war Ende vergangener Woche nach einem ARD-Bericht über schlechte Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter in die Schlagzeilen geraten. Das Unternehmen hatte daraufhin die Zusammenarbeit mit einem Sicherheitsdienst und einem Dienstleister gekündigt, der für die Unterbringung von ausländischen Saisonarbeitern zuständig war.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) warf dem Personaldienstleister Trenkwalder unterdessen Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor. Diese seien bei einer Sonderprüfung festgestellt worden, erklärte die Behörde. Details nannte die BA nicht. Trenkwalder hatte am Dienstag Vorwürfe im Zusammenhang mit der Behandlung von Leiharbeitern bei Amazon zurückgewiesen. „Die Prüfung der Bundesagentur für Arbeit hat die öffentlich vorgebrachten Anschuldigungen nicht bestätigt“, hieß es in einer Mitteilung.
Das Kartellamt kündigte an, 2400 Händler über das Internet zu befragen. Es geht dabei um die sogenannte Preisparitätsklausel bei Amazon: Händler, die die Plattform nutzen, dürften ihre Produkte nicht an anderer Stelle im Internet etwa bei eBay billiger anbieten, so das Kartellamt. Möglicherweise verstoße die Klausel gegen das allgemeine Kartellverbot, erklärte Kartellamtschef Andreas Mundt. Bei der Prüfung droht Amazon einem Kartellamtssprecher zufolge keine Strafe. Falls sich eine rechtlich bedenkliche Praxis abzeichne, werde die Behörde auf eine Änderung der Vertragsbedingungen dringen.
Der Kunst- und Literaturverlag Ch. Schroer in Lindlar bei Köln und der Mainzer VAT Verlag beendeten ihre Verträge mit Amazon. Verleger Christopher Schroer beklagte, dass der Internet-Händler seine „Marktmacht“ gegenüber seinen Partnern rigoros ausnutze, VAT-Verleger André Thiele beklagte „katastrophal schlechte Konditionen“ für Kleinverleger. Hohe Rabattforderungen und ein immenser Verwaltungsaufwand machten den Vertrieb der Bücher über Amazon unrentabel. Von Amazon war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.