DSG-Getriebe wird für VW zum Dauerproblem
Wolfsburg/Sydney (dpa) - Europas größter Autobauer Volkswagen kämpft mit Qualitätsproblemen bei seinen Doppelkupplungsgetrieben.
Mit rund 26 000 neuen Rückrufen in Australien ist die Gesamtzahl der deswegen in die Werkstatt geholten Autos inzwischen auf mehr als eine halbe Million angewachsen. Die kurz DSG genannte Erfindung aus dem eigenen Hause wächst sich damit zu einem Sorgenkind aus, das dem Konzern gleich mehrfach zusetzt: Die Rückrufe verschlingen Millionen, dürften Kunden verärgern und nagen am Image der Marke.
Im Frühling mussten bereits in China 384 000 Wagen mit DSG für Reparaturen in die Werkstatt, Anfang Mai folgte dann Japan mit 91 000 Autos. Kern des Problems sind Temperaturprobleme. Gefahr für Fahrer bestehe keine, betonte ein Sprecher am Mittwoch.
In Australien teilte VW mit: „In Einzelfällen kann eine elektronische Fehlfunktion (...) den Antrieb unterbrechen. Andere wichtige Fahrzeugsysteme wie etwa Lenkung und Bremsen (...) werden voll funktionsfähig bleiben.“ Im Notfall könnte der Fahrer noch immer eine sichere Position ansteuern.
Auslöser der Probleme ist dem Sprecher zufolge die Kombination aus feucht-heißem Klima und häufiger Belastung im kriechenden Verkehr, etwa im Stop-and-Go verstopfter Innenstädte. VW beobachte regelmäßig, ob sich Kundenbeschwerden häuften.
Sei das der Fall, folgten die freiwilligen Rückrufe. Daher beschränke sich das Problem auf einzelne Märkte. In Europa bestehe kein Handlungsbedarf. Zudem seien weltweit die jüngeren Baujahre nach 2011 prinzipiell gar nicht mehr gefährdet.
Die Werkstätten tauschen die Steuerung der DSG-Technik aus, das sogenannte Mechatronikmodul. „Das dauert circa drei Stunden“, sagte der Sprecher.
In Australien sind die VW-Modelle Golf, Jetta, Polo, Passat und Caddy betroffen. Außerdem riefen die Schwestermarken Audi 6200 und Skoda 1700 Autos zurück. Seat sei nicht im Markt vertreten.
Von Juli an werde VW die Fahrzeugbesitzer direkt anschreiben. Bis zum Werkstattbesuch könnten die Wagen normal weiter benutzt werden.
Die Rückrufe sind für Europas Branchenprimus teuer. In der Bilanz Ende März wies der Konzern seine Rückstellungen für die DSG-Probleme in China mit einem „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“ aus, wovon jedoch 140 Millionen Euro Vorsorge für ein problembehaftetes Projekt der Lkw-Tochter MAN abgezogen werden müssen.
VW produziert DSG in Kassel, dem Leitwerk für Getriebefertigung. Aber seit Mitte 2010 läuft die Erfindung auch im chinesischen Dalian vom Band. Zum Start hieß es damals, dass das Jahresproduktionsvolumen schrittweise auf bis zu 600 000 DSG-Einheiten hochgefahren werde.
Der Sprecher betonte, dass die Probleme in Asien und Australien nicht an möglichen Qualitätsunterschieden aus der Fertigung hingen.
Die halbe Million Rückrufe binnen weniger Monate verdeutlicht auch das Dilemma der sogenannten Gleichteilstrategie bei VW. Im Rennen zur Weltspitze will der Autobauer möglichst viele baugleiche Teile in möglichst viele unterschiedliche Modelle bringen. Das spart Kosten bei Entwicklung und Produktion und erhöht gleichzeitig die Flexibilität. Die Kehrseite: Rückrufe schlagen umso heftiger durch.
VW ist mit derartigen Problemen nicht alleine. Nach Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) gab es 2012 allein in Deutschland 162 Rückrufe, 93 davon überwachte die Behörde, weil der Mangel so schwerwiegend war. 824 000 Halter erhielten wegen der Aktionen Post.