Ein Vierteljahrhundert ICE: Abschied vom Temporausch

Berlin (dpa) - Deutschlands schnellster Zug ist ein Fall fürs Museum. Eine Stunde dauert im Nürnberger Bahnmuseum die Sonderführung rund um den weißen Raser mit dem roten Streifen, der nun 25 Jahre alt wird.

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Am 2. Juni 1991 begann für Bahnreisende in Deutschland das Hochgeschwindigkeitszeitalter: Seitdem ist der Intercity-Express aus dem Fahrplan nicht mehr wegzudenken. Von 25 Zügen wuchs die Flotte auf mittlerweile 270. Doch der Geschwindigkeitsrausch ist längst vorbei.

Wenn Ende 2017 die neueste ICE-Generation aufs Gleis kommt, ist die Höchstgeschwindigkeit auf 250 Stundenkilometer beschränkt - den Vorgänger bejubelte die Bahn noch als Deutschlands ersten Zug für Tempo 300; zwischen Frankfurt und Paris geht es sogar darüber hinaus. „Wir fahren dort Hochgeschwindigkeit, wo es Sinn macht“, sagt ein Bahnsprecher. Eine vollständige Abkehr von hohen Geschwindigkeiten bedeute der langsamere ICE 4 nicht.

Beim neuen Zugpferd stehen andere Dinge im Fokus. Weniger Energieverbrauch, stabilere Klimaanlagen etwa. Richtige Rennstrecken gibt es im ICE-Netz ohnehin nicht. „Auf 70 Prozent der Strecken kommen Sie mit Höchstgeschwindigkeiten zwischen 160 und 220 km/h aus“, heißt es bei der Bahn.

Und in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland muss der Zug zu oft halten - künftig noch häufiger, denn die Bahn will im Zuge ihrer seit einem Jahr laufenden Kundenoffensive noch zwei Dutzend zusätzliche Städte ans ICE-Netz bringen. Der neue Zug passt also zur neuen Bahn.

Aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn hält der ICE schon jetzt zu oft. „Für einen wirklichen Hochgeschwindigkeitsverkehr werden heute zu viele Städte angefahren“, sagt der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Mit Sprinter-Angeboten versuche die Bahn gegenzusteuern. Zudem würden manche für ICE ausgebaute Strecken kaum genutzt. Andere, wichtigere Abschnitte, seien dagegen weiterhin nicht auf Hochgeschwindigkeit ausgelegt: „Es fehlt der Lückenschluss zwischen Fulda, Frankfurt und Mannheim“, betont Naumann.

Das Management im Berliner Bahntower hat sich eine neue Strategie verordnet, nachdem der bundeseigene Konzern in die roten Zahlen gerutscht ist. Nach Börsenträumen und internationaler Expansion besinnt sich der Konzern auf sein „Brot- und Butter-Geschäft“, wie es Konzernchef Rüdiger Grube gerne nennt: die Eisenbahn in Deutschland. Denn auf dem Weg zum Global Player hatte der Konzern den Stammmarkt vernachlässigt. Erst als immer mehr Reisende in Billigflieger und Fernbusse stiegen, besann sich das Management.

Denn der Fernverkehr ist ein wichtiger Umsatzbringer. 132 Millionen Fahrkarten für ICE, Intercity und Eurocity verkaufte die Bahn 2015, das trug immerhin knapp jeden zehnten Euro zum Konzernumsatz bei. Anders als Regionalzüge, die die Länder mit Milliarden bezuschussen, fährt die Bahn ihre Flaggschiffe auf eigene Rechnung. Zwölf Milliarden Euro investiert die Bahn bis 2030 in ihren Fernverkehr - den Großteil davon in modernere Züge.

Für die Bahn ist der ICE eine Erfolgsgeschichte, auch wenn diese nicht ohne Rückschläge blieb. 1998 entgleiste bei Eschede ein ICE und zerschellte an einer Straßenbrücke. 101 Menschen starben bei diesem schwersten Unglück eines Hochgeschwindigkeitszugs weltweit, 88 wurden schwer verletzt. Ursache war ein gebrochener Radreifen. Und seit 2008 die Radsatzwelle eines ICE 3 brach, muss die Bahn ihre Züge viel häufiger warten - das ist teuer und nagt an der Reserveflotte.

Im Bahnmuseum steht der ICE 3 - mit 330 Stundenkilometern derzeit der schnellste Zug in Deutschland - neben dem Adler, der ersten Dampflok. Der Adler ist original, der Hochgeschwindigkeitszug nur ein Modell - die echten ICE werden noch gebraucht.