Eine Wuppertaler Idee für die Welt

Die neue Thrombose-Tablette Xarelto wurde in Wuppertal entwickelt. Auch der Wirkstoff wird dort produziert.

Wuppertal. Über sich selbst spricht Elisabeth Perzborn nicht gerne, dafür aber mit Begeisterung über ihren größten beruflichen Erfolg. Seit 30 Jahren arbeitet die Biologin am Institut für Herz-Kreislaufforschung im Bayer-Forschungszentrum in Wuppertal, und sie hat das geschafft, wovon viele Forscher nur träumen dürfen: Die 61-Jährige hat gemeinsam mit ihrem Team ein neues Medikament gegen Thrombose entwickelt, das unter dem Namen Xarelto seit etwa einem halben Jahr unter anderem in den Ländern der EU, in Kanada, Australien und Mexiko auf dem Markt ist. Die Zulassungen für die wichtigen Märkte in den USA und China sollen bald folgen.

"Xarelto ist ein Gerinnungshemmer zur Prophylaxe und Therapie von Thrombosen", erklärt die Erfinderin. Ärzte dürfen das Medikament bislang nur erwachsenen Patienten nach Hüft- und Kniegelenkersatz-Operationen verschreiben. Doch weitere Zulassungen, etwa zur Schlaganfallprävention, sind eingeplant. "Das Medikament hat das Potenzial, ein Blockbuster zu werden", sagt Standortleiter Klaus Jelich. "Wir gehen davon aus, dass in näherer Zukunft weitere Indikatoren für Xarelto zugelassen werden." Bayer erwartet einen jährlichen Spitzenumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro, gekostet hat die zehnjährige Entwicklung 744 Millionen Euro. Die Erfindung hat weitere Effekte: "Arbeitsplätze können geschaffen und gesichert werden", sagt Jelich. Außerdem können neue Forschungsprojekte finanziert werden.

Der Wirkstoff für Xarelto wurde nicht nur in Wuppertal erfunden, er wird dort auch hergestellt. Auch der Wirkstoff für den Cholesterinsenker Lipobay wurde in Wuppertal produziert - 208 Mitarbeiter waren direkt daran beteiligt. Doch die Lipobay-Geschichte fand ein bitteres Ende: Im August 2001 musste Bayer das Medikament vom Markt nehmen, nachdem bei etlichen Patienten lebensgefährliche Muskelschädigungen aufgetreten waren. Jahrelang musste sich der Konzern, vor allem in den USA, gegen Tausende Klagen wehren und wendete am Ende mehr als 800 Millionen Euro für Vergleichszahlungen auf. Aufwärts ging es wieder mit dem Medikament Nexavar, das seit 2005 bei der Behandlung von Krebspatienten eingesetzt wird.

Mit Xarelto soll dieser positive Trend fortgesetzt werden. Die Idee für das neue Medikament entstand bei Elisabeth Perzborn bereits 1998: Ihr Ziel war es, eine Tablette zu entwickeln, die genauso effektiv sein sollte wie die bislang notwendigen Thrombosespritzen. Mehr als zwei Jahre haben Perzborn und ihr Team nach einem Wirkstoff gesucht. Dafür wurden 200000 Substanzen auf ihre Wirkung geprüft - fünf kamen in die engere Auswahl. Weitere Versuche folgten. Es wurde geprüft, ob die Substanzen auch auf andere Enzyme wirken und ob sie sich später gut in eine Tablette pressen lassen.

Doch nicht immer waren diese Tests von Erfolg gekrönt. "In diesem Beruf braucht man viel Geduld. Manche Versuche enden in der Sackgasse. Doch dann muss man wieder neue Ideen entwickeln und weitermachen", sagt Elisabeth Perzborn. Am Ende wurde eine Substanz gefunden - der neue Wirkstoff erhielt den Namen Rivaroxaban. Im Jahr 2000 folgte dann der offizielle Entwicklungsbeschluss. Nach etlichen Versuchen, zunächst an Tieren, dann an Probanden und Patienten, wurde 2008 mit der Zulassung die letzte Hürde genommen. "Mein Ziel war es immer, Patienten zu helfen", sagt die Biologin - und hat es mit Xarelto nun endlich erreicht.